Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Auf in eine neue Runde! Löhne rauf, Arbeitszeiten runter!

Im letzten Jahr haben Beschäftigte mit großen Warnstreikmobilisierungen gezeigt, dass sie bereit sind, für ihre Forderungen einzutreten. Fast  200.000 Kolleg*innen sind außerdem im Verlauf des Jahres 2023 in ver.di eingetreten. 

Diskussionen zur Forderungsfindung beginnen im Juni in den Betrieben. Als Netzwerk von aktiven Kolleg*innen in verschiedenen Orten im öffentlichen Dienst wollen wir Vorschläge dafür machen, aber auch Aspekte der Streikstrategie und demokatischer Streikführung ansprechen.

Löhne: 500 Euro mehr monatlich, 12 Monate Laufzeit

Das letzte Tarifergebnis war aus unserer Sicht nicht ausreichend und hatte Reallohnverluste zur Folge. Denn die Inflationsausgleichsprämie, die ausgezahlt wurden, war nicht tabellenwirksam. Die Verluste seit dem letzten Tarifabschluss werden 2025 dann gemessen an der im nächsten Jahr zu erwartenden Inflation im Schnitt 7% bzw. 200-300 Euro betragen (je nach je nach Entgeltgruppe und Stufe). Diese gilt es mindestens auszugleichen, mehr noch braucht es Einkommenszuwächse, um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Das ist auch ein wichtiger Beitrag, um den Personalmangel in vielen Bereichen auszugleichen, wo es heißt, man finde kein neues Personal. Gerade in den unteren Lohngruppen gibt es weiter Nachholbedarf, beziehungsweise ist es hier auch besonders nötig, weil diese die Inflation besonders zu spüren bekommen. Deshalb schlagen wir auch für dieses Jahr eine Festgeldforderung in Höhe von 500 Euro vor, und zwar für eine Laufzeit von 12 Monaten. Eine Laufzeit von einem Jahr ist nötig, weil in den aktuellen Zeiten nicht sicher ist, wie sich die Inflation durch verschiedene Einflüsse kurzfristig entwickelt. Zum anderen ist es umso besser, weil die Dynamik von gewerkschaftlicher Mobilisierung weniger lang unterbrochen wird. Zudem sollte es endlich eine Angleichung der Tariflaufzeiten zwischen den Beschäftigten in  Bund/Kommunen und den Ländern geben, um Kolleg*innen zeitgleich mobilisieren zu können.

Arbeitszeit: 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich

In der Arbeitszeit-Umfrage von ver.di ist eins deutlich geworden: viele Kolleginnen und Kollegen fühlen sich ausgebrannt und erschöpft. Der Personalmangel führt dazu, dass viele ihre Überstunden nicht abbauen können, Pausenzeiten nicht nehmen, und viele gehen aufgrund der großen Belastung in Teilzeit. Wie in der Auswertung der Umfrage auf der ver.di-Seite zu lesen ist: „Die angespannte Arbeitsmarktlage und der in vielen Bereichen deutlich spürbare Personalmangel verschärfen strukturelle Engpässe und führen zu noch mehr Belastung: Die Kolleg*innen versuchen, mit hohem Verantwortungsbewusstsein (und Pflichtgefühl) auszugleichen, wenn jemand fehlt – Ein Teufelskreis!“ Genauso ist es. Die Frage ist, wie man aus diesem Teufelskreis herauskommt.

Wir sind der Meinung, das geht nur darüber, dass durch Arbeitszeitverkürzung Entlastung geschaffen wird – aber nicht verbunden mit dem Verzicht auf Lohnsteigerung! Es braucht keine Wahlmodelle und auch keine neuen Teilzeitmodelle. Es braucht eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen im gesamten öffentlichen Dienst, und das bedeutet Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Wir schlagen deshalb die Forderung nach einer 35-Studen-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich vor.

Was bringt Arbeitszeitverkürzung?

Wichtig ist, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit ohne Lohnverluste zu verkürzen. Wie genau das dann für Schichtarbeiter*innen aussieht, damit es Wirkung zeigt, kann angepasst werden. So kann es beispielsweise für Kolleg*innen in Krankenhäusern attraktiver sein, anstatt jeden Tag nur sieben Stunden zu arbeiten, stattdessen im Schnitt pro Monat 2,5 Tage weniger zu arbeiten, um sich besser erholen zu können und mehr Freizeit zu haben. Wichtig ist, dass es nicht weniger Geld gibt und auch im Tarifabschluss nicht eine Arbeitszeitreduzierung mit dem Verzicht auf eine Lohnerhöhung erkauft werden muss. Denn viele können sich dann die notwendige Entlastung einfach nicht leisten. Für diejenigen, die bereits einen Teilzeitvertrag haben,  bedeutet die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche natürlich dann eine entsprechende Lohnerhöhung, weil die Stundenlöhne dadurch automatisch steigen. Weiterhin muss es einen Personalausgleich geben, was auch tarifvertraglich festgehalten werden sollte. Das bedeutet, dass die jeweiligen Arbeitgeber verplichtet werden, die durch Arbeitszeitverkürzung frei gewordenen Stellen zu besetzen und nicht einfach den Arbeitsdruck weiter zu erhöhen. Auch gesamtgesellschaftlich ist es wichtig, für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu kämpfen, und somit den technologischen Fortschritt im Interesse der arbeitenden Menschen zu nutzen.

Verschärft Arbeitszeitverküzung den Personalmangel?

Viele werden sagen, das macht doch keinen Sinn, wenn wir jetzt noch weniger arbeiten, kann man die Arbeit nicht mehr schaffen. Hier befinden wir uns im oben erwähnten Teufelskreis. Doch überlegen wir, was ein Verzicht auf Arbeitszeitverkürzung bedeutet: es gibt keine Entlastung, immer weniger Kolleg*innen fühlen sich dem Druck gewachsen, immer mehr verlassen ihren Beruf oder gehen freiwillig auf Teilzeit, obwohl sie es sich eigentlich kaum leisten können. Umgekehrt haben Studien ergeben, dass mindestens 300.000 Vollzeitstellen in der Pflege besetzt werden könnten (im besten Fall sogar bis 600.000, siehe hans-böckler-stiftung, pressedienst 03.05.2022), weil entsprechend viele Pflegekräfte sich eine Rückkehr in den Beruf bzw eine Aufstockung ihrer Teilzeitverträge vorstellen können, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern.

Das heißt kürzere Arbeitszeiten und bessere Löhne könnten in einigen Bereichen die unmittelbaren Voraussetzungen für mehr Personal schaffen. In anderen Bereichen gibt es wahrscheinlich nicht genügend ausgebildete Fachkräfte. Dieses Problem muss dann angegangen werden. Es braucht dafür demokratisch geplante Aus- und Weiterbildungs- bzw. Personalaufstockungspläne in den relevanten Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo die Beschäftigten, Gewerkschaften und Verbraucher*innen ermitteln, was nötig ist. Das muss gepaart werden mit guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und Gehältern. Natürlich muss auch die Profitlogik aus den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge verbannt werden. Vom Gesundheitswesen bis zu Post, Telekom, Bahn und ÖPNV braucht es massive öffentliche Investitionen finanziert aus Steuern auf Gewinne und Vermögen, um den realen Bedarf zu decken und nicht um die Kassen von privaten Konzernen zu füllen. Möglich ist das, politisch gewollt ist es zur Zeit nicht.

Utopisch?

Viele werden denken: Die Kassen sind doch leer, so hohe Forderungen können wir doch auf keinen Fall aufstellen. Fakt ist aber: Geld ist genug da. Es ist nur in den falschen Händen. In den letzten Krisen, sei es Corona oder Krieg und Inflation, gab es große Gewinner. Banken und Konzerne konnten sich über weitere Profitsteigerungen freuen, die oberen ein Prozent Einkommensmilliardär*innen haben ihre Vermögen weiter gesteigert. So erreichten die Top 100 Unternehmen in Deutschland Ende 2023 trotz allem Jammern (und auch, wenn einige Umsatzrückgänge verzeichneten) insgesamt einen Rekord von 135 Milliarden Euro an Gewinnen, ein Drittel mehr als im Vorjahr (siehe u.a. nd 29.12.2023 „Rekordgewinne in der Flaute“). Und laut aktueller Forbes Liste kommen allein die zehn reichsten Deutschen auf ein Vermögen von mehr als 200 Milliarden Dollar! (siehe u.a. wirtschaftswoche 4.4.2024 und weitere Studien auf der homepage der hans-böckler-stiftung, z.B. working paper „Milliardenvermögen in Deutschland“, Dezember 2023).

Das alles, während Kolleg*innen in allen Bereichen mehr und mehr arbeiten mussten, und die Löhne aufgrund der Inflation dahinschmolzen. Gleichzeitig werden Milliarden in weitere Aufrüstung gesteckt, anstatt das Geld in den Ausbau des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens zu stecken sowie in umweltfreundlichen öffentlichen Nah- und Fernverkehr.  Damit muss Schluss sein. Mit einer Millionärssteuer und einer zusätzlichen Milliardärsabgabe wäre es zudem möglich, die öffentliche Daseinsvorsorge massiv auszubauen und oben drauf noch Arbeitszeiten zu kürzen und die Löhne zu erhöhen. Es ist alles eine Frage der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Für eine Veränderung muss gekämpft werden.

Streikstrategie

Es ist nötig, von Anfang an eine Strategie zu diskutieren, die auf die Möglichkeit eines Erzwingungsstreiks hinzielt. Denn vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Haushaltsdebatte wird nicht darüber gesprochen, dass man das nötige Geld bei Reichen und Konzernen holt, um die Mängel zu beheben. Stattdessen werden von Arbeitgeberverbänden und Parteien  Angriffen auf die gesamte Arbeiter*innenklasse wie Arbeitszeitverlängerung, Kürzungen bei Renten und Einschränkungen des Streikrechts gefordert. Mit der Ausrichtung auf Sozialpartnerschaft, in der es einfach nur ein paar Wanrstreiks braucht, um zu einem (schlechten) Kompromiss zu kommen, werden die Gewerkschaften in der nächsten Zeit Schiffbruch erleiden. Es braucht entschlossene Arbeitskampfstrategien. Gerade mit Forderungen, die tatsächlich eine Verbesserung bedeuten, kann man Mobilisierungsfähigkeit erreichen. Kolleg*innen haben im letzten Jahr gezeigt, dass sie bereit zum Kämpfen sind. Doch die ver.di-Führung hat im letzten Jahr diese Bereitschaft nicht maximal ausgenutzt. Stattdessen wurde an einer Schlichtungsvereinbarung festgehalten, die dazu führte, dass die Dynamik des Arbeitskampfes unterbrochen wurde und ein schlechtes Ergebnis angenommen wurde. Stattdessen wäre eine Urabstimmung zum Erzwingungsstreik nötig gewesen, um die Forderungen bei einer Laufzeit von zwölf Monaten durchzusetzen.In der Mitgliederbefragung hatten sich  nur 66Prozent für das durch die Schlichtung erzielte Ergebnis ausgesprochen, demnach waren 34 Prozent derjenigen, die sich an der Befragung beteiligt haben (insgesamt etwa 27 Prozent der Mitglieder)  nicht zufrieden mit dem Ergebnis.

Nein zu  Schlichtung

Als Kolleg*innen im letzten Jahr die Forderung an die ver.di Tarifkommission nach Aufkündigung der 2011 erneut abgeschlossenen Schlichtungsvereinbarung einbrachten, kam es zu entsprechenden Beschlüssen auf einigen Streikversammlungen und in ver.di-Gremien, vor allem in Berlin, diese aufzukündigen. Denn diese Vereinbarung besagt, dass eine Schlichtung verpflichtend ist, wenn nur eine Seite sie anruft. Damals hieß es, nun sei es zu spät. Doch seitdem wurde die Vereinbarung noch immer nicht gekündigt. Daher bringen wir die Diskussion nun frühzeitig ein. Die Vereinbarung kann mit einem Monat zum Quartalsende gekündigt werden – es ist also noch früh genug.

Streikdemokratie

Wir denken aber auch, dass Kolleg*innen das Heft selbst in der Hand halten sollten und über alle wichtigen Schritte im Arbeitskampf diskutieren und entscheiden sollten. Mittel dafür sind aus unserer Sicht: Wahl von örtlichen Streikleitungen auf Versammlungen; regelmäßige Streikversammlungen; Transparenz über die Verhandlungen und Berichte auf den Streikversammlungen über den Stand; Diskussionen über Verhandlungsstand und nächste Arbeitskampfschritte auf den Streikversammlungen mit Abstimmungen; Wahl von Streikdelegierten zu bezirklichen und bundesweiten Streikdelegiertenkonferenzen. Diese sollten Befugnis erhalten, um über Annahme oder Ablehnung von Verhandlungsangeboten abzustimmen, sowie über die nächsten Schritte im Arbeitskampf zu beraten und zu entscheiden, d.h. sowohl über Abbruch als auch Weiterführung eines Streiks.

Solidarität und Koordinierung von Streiks

Wir halten es für eine gute Idee, wenn Kolleg*innen, die zeitgleich in Tarifauseinandersetzungen stehen, auch gemeinsam auf die Straße gehen. So werden zum Beispiel die Tarifverträge von Kolleg*innen bei der Post zur gleichen Zeit auslaufen. Dies sollte dazu genutzt werden, um zusammen zu demonstrieren, denn das gibt ein Gefühl von Solidarität und Stärke. Zudem sollte die gesamte ver.di und der DGB eine Solidaritätskampagne für diese Tarifrunde vorbereiten. Denn gerade die Ausfinanzierung des öffentlichen Dienstes geht alle an. So kann die Tarifrunde als gesellschaftspolitische Bewegung für Mililardeninvestitionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales und Umwelt, anstatt für immer mehr Waffen, aufgebaut werden.

Beteiligt euch am Netzwerk

Wir, Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen, treffen uns, um gemeinsam Vorschläge und Anträge in ver.di einzubringen und auch selbst Initiativen vor Ort zu ergreifen, wie zum Beispiel für eine Koordinieren mit anderen Arbeitskämpfen. Tretet in Kontakt mit uns und beteiligt euch. Gemeinsam setzen wir uns für eine kämpferische und demokratische ver.di und einen effektiven Arbeitskampf ein.

Webseite: www.netzwerk-verdi.de, Email: info@netzwerk-verdi.de

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