Wir trauern um Sybille Stamm

Nachruf auf Sybille Stamm (24.03.1945-14.12.2023) |

Unsere jahrzehntelange Mitstreiterin im Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften ist am 14. Dezember völlig unerwartet gestorben. Mit ihrem fundierten Wissen über die Gewerkschaftsbewegung, ihren vielen Kontakten zu linken GewerkschafterInnen, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und PolitikerInnen, ihren Anregungen und Ideen für die Arbeit des Zukunftsforums war sie für uns immer bereichernd und anregend. Ihre vielfältigen Erfahrungen von ihren beruflichen Tätigkeiten bei IG Metall (1980-1990: Tarif- und Frauensekretärin bei der IGM Bezirksleitung), IG Medien (1990-1994: Leiterin der Tarifabteilung der IG Medien / 1994 – 2001: Landesvorsitzende der IG Medien) und ver.di (2001-2007: ver.di-Landesleiterin Baden-Württemberg) haben sie geprägt, aber sie hat nie ihre Positionen für eine kämpferische linke Gewerkschaftspolitik aufgegeben.

Zum 20. Geburtstag des Zukunftsforums im November 2011 hat sie in ihrer Rede klar zum Ausdruck gebracht, wie notwendig und bedeutend dieses Forum für die Gewerkschaftsbewegung, aber auch für sie war:

Ich erinnere mich noch gut an unsere Startphase. Wir wurden kritisch beäugt – vom DGB und der IG Metall, die ja damals noch davon überzeugt waren, den linken Flügel der Gewerkschaften in Stuttgart für sich gepachtet zu haben… Wir wollten eine Plattform schaffen, auf der aktive GewerkschafterInnen sich, über den Tag hinaus denkend, auseinandersetzen und perspektivisch Ideen entwickeln können, die den gewerkschaftlichen Alltag sprengen und darüber hinausgehen. Das haben wir auch geschafft…. Und wir waren treibender Motor bei der Initiative für die Vernetzung der Gewerkschaftslinken 2000; der erste Jahreskongress fand in Stuttgart statt und wurde von uns organisiert. Unser Zukunftsforum war Beispiel für viele Zukunftsforen, die sich in Böblingen, Hannover, Mannheim, Nürnberg, Gelsenkirchen und anderswo bildeten. Insofern können wir uns mit Recht als „Vorhof“ für die bundesweite Vernetzung der Linken in den Gewerkschaften bezeichnen… Eine große Stärke des Zukunftsforums ist die praktische Orientierung – immer dabei national und international bei betrieblichen Kämpfen. Immer dabei in den Tarifauseinandersetzungen, im Streik der Kommunalbeschäftigten gegen Arbeitszeitverlängerung, im Einzelhandelsstreik, im Erzieherinnenstreik, im Kampf gegen S 21.“

Wichtig war ihr auch immer das Thema Arbeitszeitverkürzung – eines ihrer Herzensthemen. „Eindrucksvoll war unser großer Kongress „Arbeit-Leben-Zeit“ am 27.1.2001 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus. Wir waren es, die 2004 eine bunte, nachdenkliche und kämpferische Veranstaltung mit Detlef Hensche und Zeitzeugen „20 Jahre 35 Stunden-Woche“ initiierten mit unserem eindrucksvollen Frauen-Rap: „Wir wollen 5 Stunden mehr für Liebe und Verkehr“.

Der Blick in die Zukunft, die gesellschaftlichen Utopien, fehlten nie und hat sie positiv von anderen GewerkschaftsführerInnen abgehoben und ausgezeichnet:

Das ist vielleicht die große Kunst der Politik – die Tageskämpfe mit der Utopie einer Kapitalismus-überwindenden Strategie zu verbinden. Rosa Luxemburg nennt es in ihren Ausführungen zur revolutionären Realpolitik so: Die Spannung zwischen Weg und Ziel, zwischen politischen Tagesaufgaben und dem, worum es sich perspektivisch zu streiten lohnt, muss in praktische, theoretisch begründete Politik transformiert werden. Davon sind die Gewerkschaften derzeit leider weit entfernt. Die mich länger kennen, kennen auch eines meiner Lieblingsbilder, um die Notwendigkeit gesellschaftlicher Utopien zu transportieren. Antoine de Saint Exupéry sagt es so:

‘Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen und verteile Aufgaben, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem großen weiten Meer.‘

Es geht um die Sehnsucht nach einer anderen Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung – wie Willi Bleicher es einmal genannt hat als treibender Motor für praktisches, widerständiges Handeln.

In Sybilles Sinn werden wir weiterwirken und mit ihr verbunden sein.

 

Nachruf von ver.di-Baden-Württemberg:

https://bawue.verdi.de/++co++3152167c-9bef-11ee-8366-779f6ceb3f7e

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