Während die Gewerkschaften in Deutschland zu dem Genozid in Gaza überwiegend schweigen, sieht das auf internationaler Ebene völlig anders aus. Vom 18.-20. Juni tagte in Bukarest der Kongress der EPSU (European Public Services Union), auf deutsch der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst, der über seine Mitgliedsgewerkschaften in den einzelnen Ländern 6 Mio Beschäftigte vertritt. Aus Deutschland sind ver.di und der Marburger Bund Mitgliedsgewerkschaften.
Der Kongress diskutierte und beschloss vieles wichtiges zur Verteidigung Öffentlicher Daseinsvorsorge und den Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst. Er beschloss aber auch eine Resolution zum Krieg in Nahost. https://www.epsu.org/sites/default/files/article/files/EPSU%20Congress%202024%20Resolution%20on%20the%20Palestine%20and%20Israel%20conflict_DE.pdf
Diese Resolution macht keinen Unterschied zwischen den Opfern, wie wir es aus Politik und Medien in Deutschland kennen. Er benennt den 7.10.2023 als Ausgangspunkt des derzeitigen Krieges, erklärt aber auch: „Wir erkennen an, dass die Politik der israelischen Regierungen während der vergangenen Jahrzehnte (gut nachvollziehbar anhand der rücksichtslosen Erweiterung illegaler israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet) ein unbestreitbarer Faktor der derzeitigen furchtbaren Situation ist.“ Die Stärke dieser Resolution ist es , die fortdauerde Gewalt gegen die Zivilbevölkerung mit klaren Worten zu benennen:
„Allerdings ist Israels militärische Antwort auf diesen Angriff unverhältnismäßig und ist zu verurteilen. Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 8. Mai wurden mehr als 35.000 Menschen, zum größten Teil Palästinenser und Palästinenserinnen, im Krieg zwischen der Hamas und Israel getötet (darunter Hunderte von Beschäftigten im Gesundheitswesen und Mitarbeiter/-innen humanitärer Hilfswerke, davon 179 Beschäftigte des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten – UNRWA). Es hat noch mehr Verletzte gegeben, und viele Familien sind zu Binnenvertriebenen geworden. Die Angriffe im Gazastreifen haben öffentliche Dienste fast zum Erliegen gebracht und lebenswichtige Infrastrukturen wie Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen zerstört. Eine große Zahl von Kindern, Frauen und Männern haben keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu Wasser, Nahrungsmitteln, Strom, Unterkünften, Gesundheitsversorgung und sonstiger Unterstützung. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind nicht in der Lage, ihren Auftrag auszuführen. Wir erleben eine große humanitäre Krise, die eine eindeutiger Verletzung des internationalen Rechts und unserer gemeinsamen Werte darstellt. Hunger und Elend in Palästina nehmen täglich zu, dies betrifft besonders Kinder und besonders vulnerable Menschen.“
Und so kommt der Gewerkschaftsverband auch zu klaren Forderungen: „Aus diesem Grund glauben wir, dass die internationale Gemeinschaft alle Mittel mobilisieren muss, um diesen Konflikt zu beenden, die Freilassung der noch in der Gewalt der Hamas befindlichen Geiseln zu erwirken, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben und Menschenrechte für die palästinensische Bevölkerung durchzusetzen. Wir fordern die Freilassung palästinensischer Zivilpersonen, die aus politischen Gründen in israelischen Gefängnissen inhaftiert sind. Wir erinnern daran, dass die Genfer Konvention von 1864 und ihre Zusatzprotokolle Normen für den Mindestschutz von Personen und für ihre humane Behandlung sowie grundlegende Garantien für die Achtung von Individuen, die Opfer bewaffneter Konflikte werden, und die Einhaltung dieser Vorschriften vorsehen.“
Weiter ist bemerkenswert, dass der EGÖD die friedlichen Demonstrationen gegen den Völkermord unterstützt: „Wir fordern die vollständige Umsetzung der sechs provisorischen Sofortmaßnahmen, die der Internationale Gerichtshof (IGH) am 26. Januar… angeordnet hat, …Wir unterstützen friedliche Proteste und verurteilen Versuche, eine demokratische Mobilisierung zum Schweigen zu bringen.“ Etwas, was ver.di in Deutschlad leider nicht tut.
Die Erklärung des EGÖD ist auf dessen Webseite in sechs Sprachen verfügbar. Sie kann heruntergeladen werden, kopiert, in Gewerkschaftsgliederungen und Betriebe eingebracht und verbreitet werden. Damit kann wirkungsvoll die Diskussionsblockade innerhalb ver.dis durchbrochen werden, die nicht der internationalen Solidarität der Beschäftigten folgt, sondern der Räson des deutschen Staates.
Innerhalb der Gewerkschaft ver.di sollten auch klare Fragen an den Vorstand und die Delegierten diesem Kongress in Bukarest gestellt werden:
- Habt ihr dieser Resolution zugestimmt oder nicht.?
- Wenn Nein, warum nicht und wer das entschieden?
- Wenn Ja, warum wird sie nicht verbreitet und umgesetzt? Warum ruft ver.di nicht zum Waffenstillstand auf und zu Demonstrationen gegen den Völkermord?
- Warum steht sie nicht auf der ver.di-Webseite? Warum steht dort die Soli-Erklärung des EGÖD zur Ukraine, aber nicht die zu Gaza? Warum gibt es keinen Bericht zu diesem Kongress?
Internationale Solidarität und der Kampf für Gewerkschaftsdemokratie gehen Hand in Hand!