Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat Ende Mai ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu „Wiederhochfahren und Wiederherstellung für die 2. und 3. Phase der Corona-Krise“ vorgeschlagen. Ähnlich dem Horrorkatalog von Südwestmetall beinhaltet das Paket massive Angriffe auf soziale Errungenschaften sowie auf die kleinsten Verbesserungen, die in den letzten Jahren noch erreicht werden konnten. So soll die abschlagsfreie Rente mit 63 fallen, die sowieso nur nach 45 Versicherungsjahren zu haben ist und mittlerweile auch frühestens mit 63 Jahren und 8 Monaten möglich ist. Außerdem die Haltelinie beim Rentenniveau bei 48 Prozent, die für viele jetzt schon Altersarmut bedeutet. Die Mütterrenten I und II sollen wieder fallen und die Parität bei der Krankenversicherung, die ja auch schon längst keine wirkliche Parität mehr ist, soll ebenso beseitigt werden. Die Einschränkungen bei den Arbeitnehmerüberlassungen, die in den vergangenen Jahren eingeführt wurden, sollen wieder rückgängig gemacht werden, ebenso wie die Mindestlohn-Dokumentationspflicht. Zudem sollen die Pläne zur Einschränkung von Befristungen vom Tisch. Sie wollen mehr „Flexibilität“. Auch bei der Arbeitszeit wollen sie „Experimentierräume“ für weitere Flexibilität. Gesetzliche Haltelinien sollen dafür fallen. Für Ruhezeiten soll es „passgenaue Modelle“ geben. Das Betriebsverfassungsgesetz soll ebenso wie das Arbeitsrecht geschliffen werden, um ungehindert durchregieren zu können. Der Kündigungsschutz muss „überarbeitet werden, um die dringend notwendige Rechtssicherheit bei Verfahren der Massenentlassung wiederherzustellen“. Beim Gesundheitsschutz wollen sie „möglichst große Spielräume bei der Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen“, um die „unternehmerische Freiheit nicht (oder minimal) durch Vorgaben im Arbeitsschutz einzuschränken“. „Das Virus ist letztendlich Teil des allgemeinen Lebensrisikos“, deshalb soll auch nichts im gesetzlichen Arbeitsschutz institutionalisiert werden. Die Grundrente halten sie für „völlig verfehlt“ und „unverhältnismäßig teuer“. Auch beim Klimaschutz soll die Politik erst mal auf die Bremse treten.
Dies ist nur ein kleiner Auszug des 10seitigen Horrorkatalogs. Aber er zeigt, wie umfassend die Angriffe sein werden, die in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zu rollen. Wir als VKG verurteilen all dies und sagen klar und deutlich: Dagegen braucht es gewerkschaftlich organisierte breite und kämpferische Gegenwehr! Ein „gemeinsam durch die Krise“ – wie so manche Gewerkschaftsvorstände predigen – kann es nicht geben. Die Klasseninteressen zwischen Kapital und Arbeit sind unvereinbar. Wir als VKG setzen uns für einen kämpferischen Kurs in den Gewerkschaften gegen diese Angriffe auf soziale Standards und Errungenschaften durch Gesamtmetall ein. Wir lassen ein Abwälzen der Krisenlasten auf unseren Rücken nicht zu!
Südwestmetall will tarifliche Standards schleifen
Die Stunde des Kapitals
Südwestmetall (SWM) will tarifliche Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld absenken und Schichtzuschläge kürzen. Außerdem soll das in der letzten Tarifrunde durchgesetzte Tarifliche Zusatzentgelt von 400 Euro gestrichen werden.
Dies sind nur die Highlights des Horrorkatalogs von den Metallkapitalisten aus Baden-Württemberg. Am 8. Mai veröffentlichte SWM die Ergebnisse ihrer „Corona-Umfrage“. Es heißt in ihrer Pressemeldung hierzu: „Die Leitbranche der baden-württembergischen Wirtschaft, die Metall- und Elektroindustrie (M+E) ist knapp zwei Monate nach Beginn der massiven Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch tiefer in die Krise gerutscht. Das zeigt die aktuelle Umfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, wonach sich inzwischen knapp zwei Drittel der Betriebe in Kurzarbeit befinden und im Schnitt mit einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent für das Gesamtjahr gerechnet wird.“ Deswegen wollen sie u.a. ein Maßnahmenpaket zur Entlastung. Ihre Milliarden-Gewinne der letzten Jahre bleiben dafür unangetastet. In dieses Maßnahmenpaket haben sie so allerhand reingepackt. An die Politik gerichtet wollen sie ein „langfristiges Belastungsmoratorium“ bei neuen Gesetzen. „Keine weiteren kostspieligen, nicht mehr zu finanzierenden sozialen Wohltaten (auch die Grundrente muss nochmals auf den Prüfstand), Verzicht auf weitere Regulierungen und bürokratische Belastungen der Betriebe wie z.B. Einschränkung sachgrundloser Befristungen, einseitiger Arbeitnehmeranspruch auf Homeoffice, überzogene Regelungen bei der Arbeitszeiterfassung“, so kennzeichnen sie das Moratorium.
Um ihre Liquidität zu sichern sollen die Gewerkschaften helfen, die Krisenlasten auf die Beschäftigten abzuwälzen. So müssen die „Sozialpartner … tarifvertragliche Vereinbarungen treffen, die die Unternehmen bei den Kosten entlasten, z.B. bei der tariflichen Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, bei den zusätzlichen Kosten für erweiterten Arbeits- und Gesundheitsschutz, durch maximale Ausnutzung tariflicher Differenzierungsmöglichkeiten (z.B. Streichung T-ZUG-Zusatzbetrag).“ Was meinen sie damit? Es geht ihnen darum, die von der IGM Baden-Württemberg schon vor vielen Jahren durchgesetzten höheren Zuschüsse beim Kurzarbeitergeld, zu kürzen. Diese stocken – je nach Umfang der Kurzarbeit – das Nettoentgelt auf bis zu 80,5 bis 97 Prozent auf. Ebenso geht es um Kürzung von Schichtzuschlägen, wenn z.B. geteilte Schichten, um Kontakte zu minimieren, eingeführt wurden oder Schichtbeginn und –ende verschoben wurden und dadurch höhere Schichtzuschläge anfallen. Außerdem wollen sie eine Kompensation für zusätzliche Belastungen durch Hygieneschutzmaßnahmen und Corona-gerechte Organisation der Arbeit. Und zusätzlich soll der jährliche Festbetrag des tarifliche Zusatzentgelt (T-Zug) in Höhe von 400 Euro, der erst vor 2 Jahren in der Tarifrunde durchgesetzt wurde, gestrichen werden und statt der Auszahlung des T-Zug in Höhe von 27,5 % eines Monatsgehalts pro Jahr soll es eine verbindliche Wandlung in freie Tage für Alle geben.
Der IG Metall-Bezirksleiter von Baden-Württemberg Roman Zitzelsberger lehnt dies ab: „Die Arbeitgeber wollen die Gunst der Stunde nutzen, um tarifpolitische Errungenschaften zurückzudrehen und die Beschäftigten die Zeche zahlen zu lassen. Dagegen werden wir uns entschieden zur Wehr setzen!“ Recht hat er. Es ist zu hoffen, dass die IGM bei dieser klaren Position bleibt und sich nicht wieder, wie in der vergangenen Tarifrunde, dafür hergibt, die Interessen der Beschäftigten zu verkaufen, um die Kapitalverwertung zu sichern. Wir müssen verhindern, dass die Krisenlasten auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden und unsere Errungenschaften geschliffen werden – auch mit Kampfmaßnahmen. Dass dies auch unter Corona möglich ist, zeigten die Beschäftigten bei Voith in Sonthofen mit ihrem mutigen Streik.