Aktionstag bei Mahle Behr in Stuttgart: MetallerInnen können auch anders!

Seit Jahren ist die Choreographie von IG Metall Protest-Veranstaltungen ähnlich: Laut und bunt, aber Phrasen ohne Inhalt und Forderungen so unkonkret wie möglich. Am Dienstag, 19. Oktober war manches anders!

Auch wenn „IG Metall“ auf der Packung drauf stand, die Initiative war von den Vertrauensleuten und dem Betriebsrat von Mahle-Behr ausgegangen. Die Bevollmächtigten der Stuttgarter IG Metall schickten eine Gewerkschaftssekretärin, sie selbst hatten besseres zu tun. Es kamen auch Mahle-Beschäftigte aus Cannstatt, Fellbach, Markgröningen und vor allem Mühlacker, aber der Gesamtbetriebsratschef hatte das nicht organisiert, er hatte Urlaub genommen.

Es kamen Solidaritäts-Delegationen von Daimler Untertürkheim und Sindelfingen, von Porsche und Bosch, von den Maschinenbau-Firmen KBA und Coperion. Auch sie waren nicht der Aufforderung der IGM-Zentrale gefolgt, sondern hatten einen Aufruf der BR-Vorsitzenden Lilly Culjak auf der letzten Delegierten-Versammlung durch Mobilisierung ihrer Kollegen und aktive Präsenz unterstützt. Es kamen auch KollegInnen aus Betrieben, vor denen die Vertrauensleute von Mahle-Behr Flyer verteilt hatten. Insgesamt beteiligten sich über 1300 Kolleginnen und Kollegen am Aktionstag.

Also schon der Rahmen war anders als das übliche Ritual und als MetallerIn hatte man mal wieder das Gefühl, die Gewerkschaft lebt!

Mehr Bewegung – mehr Inhalt!

Die Rede von Lilly zeigte auf, was diesen Betriebsrat und diese Belegschaft treibt: Der Gesamt-Betriebsrat hatte im Frühjahr den vom Konzern geforderten Stellenkürzungen zugestimmt. Die „freiwilligen“ Ausscheidungsvereinbarungen hatten diesen Abbau nicht zuwege gebracht. Jetzt droht die Geschäftsführung mit 98 Entlassungen oder alternativ „Arbeitnehmer-Beiträgen“, also Lohnverzicht in Höhe von 39 Millionen pro Jahr. In Wirklichkeit ist in vielen Abteilungen jede Menge Arbeit vorhanden.

Für Mühlacker stellte die Vorsitzende Nektaria Christidou ihre Motivation dar: Dort soll statt dem Abbau von rund 200 Arbeitsplätzen, perspektivisch die Belegschaft von rund 1300 Leuten halbiert werden. Alles Wohlverhalten des Betriebsrates, der im letzten Jahr nicht nur Arbeit rund um die Uhr, sondern auch befristete Neueinstellungen genehmigt hatte, hat nichts genützt. Die ganze zukünftige Produktion wird der Belegschaft praktisch unterm Hintern weggezogen. Das trieb auch die IG Metallbevollmächtigte aus Pforzheim an die Redetribüne.

Neben kämpferischen Solidaritätserklärungen waren zwei Reden ungewöhnlich:

Mehmet Sahin, der zehn Jahre lang als der Outlow des Feuerbacher Betriebsrats gegolten hatte, weil er mit seinen KollegInnen für den Erhalt des Werk 8 noch gekämpft hatte, als die IG Metall dies schon aufgegeben hatte, sich über 2 Instanzen seine Wiedereinstellung gerichtlich durchgesetzt hatte und 2014 mit einer zweiten Liste über 40% bei der Betriebsratswahl erzielt hatte, konnte auf diesen Kampf verweisen, der plötzlich wieder aktuell wird. Er stellte dar, wie wichtig nicht nur der Kampf bis zum Ende ist, sondern auch, dass eine harte, aber solidarische Diskussion in den Strukturen der IG Metall die Basis sein kann , um auch nach einer Niederlage wieder zurück zum gemeinsamen solidarischen Kampf zu finden, der heute wieder so notwendig ist.

Anschließend erklärte Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, aber in Stuttgart noch wohl bekannt als Verdi-Geschäftsführer, der unzählige Streiks in Branchen organisiert hatte, die zuvor nicht als streikfähig galten, wie gewerkschaftliche Kämpfe aussehen müssen: Demokratische und offene Einbeziehung der Basis, Solidarität zwischen den Belegschaften organisieren und aufzeigen, wie wichtig die Belegschaften bei Streiks sind dass Streiks zeigen, wie wichtig die Belegschaften sind – im Unterschied zum Management, deren Fehlen die Produktion nicht beeinträchtigt. Eine Rede, wie sie IG Metall-RednerInnen halten müssten.

Natürlich stellte er auch politische Forderungen auf, vor allem nach mehr Mitbestimmung für Betriebsräte bei Verlagerungen, Investitionen und Produkten. Mehmet hatte zuvor die 30 Stunden Woche für die gesamte Metall-Industrie angesprochen und die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, wie es in der Satzung der IGM steht.

Die Stimmung war sehr kämpferisch und trieb auch den Betriebsratsvorsitzenden von Mahle Markgröningen dazu, an den Protest der Mahle-Belegschaften 2005 zu erinnern, als an die 5000 Leute vor der Zentrale standen. Wie viele andere RednerInnen betonte er, dass dies erst der Anfang sein dürfe!

Wie weiter?

Die Frage stand also im Raum, wie weiter handeln? Wie es nicht funktionieren wird, zeigte Teil zwei der Veranstaltung. Nach einer kurzen Demonstration rund ums Werksgelände in Feuerbach, fuhren die Busse aus Mühlacker und ein Teil der DemonstratInnen nach Cannstatt, vor die Konzernzentrale. Einige Beschäftigte aus der Zentrale schlossen sich dem Protest an, aber weit weniger als in Feuerbach geblieben waren.

Aber der Charakter der Veranstaltung wandelte sich durch eine Regie-Umstellung: Die Geschäftsführung war eingeladen zu reden: Es kamen die Arbeitsdirektorin und die Leiterin des Geschäftsbereichs Kühler und Klima (BU3). Das Thema Mühlacker dominierte alles. Die GeschäftsführerInnen wurden angefleht, doch was Nettes zu sagen, zu erkennen, dass es um Menschen gehe, um Menschen mit Familien, die doch auch eine Zukunft bräuchten. Was die Betriebsräte bräuchten, wäre von der Geschäftsleitung ernst genommen zu werden und in Gespräche eingebunden zu werden. Das NEIN gegen den Angriff auf die Existenz des Werkes Mühlacker wurde ganz klein. Eine mit klarem Kampfeswillen untermauerte Forderung „transformierte“ sich (um das vielfach missbrauchte Modewort zu benutzen) zu einer entschiedenen Bitte. Die Fortsetzung des Kampfes wurde darauf reduziert, wieder kommen zu wollen (und die Bittstellung zu erneuern), wenn es bei den Gesprächen nicht vorwärts geht. Natürlich antworteten die Geschäftsführerinnen sehr geschmeidig und natürlich gaben sie nicht eine einzige Zusage. Also: Viel geredet und nichts gesagt.

Eine andere Antwort ist nötig

Die Betriebsgruppe „Mahle-Solidarität“ hatte danach zum Treffen eingeladen. Eine gute Diskussion entstand über die Erfolge der Aktion und ihre Grenzen. Was ist nötig:

Das Solidaritätsnetz muss von unten aufgebaut werden. Dazu gehört die Kritik am Verhalten der Geschäftsführung und des Vorstandes der IG Metall. So waren zum Beispiel die KollegInnen von Coperion richtig sauer, als sie die Flyer für die Kundgebung erhielten: Ihnen sind gerade die ERA-Eingruppierung mit Unterschrift der IG Metall gekürzt worden.

Auch wenn die Unternehmen gerade vor allem nach Osteuropa verlagern, gegen die Parole von der „Sicherung des Standortes Deutschland“, sollten wir die Perspektive des gemeinsamen internationalen Widerstandes setzen: Bei Mahle zum Beispiel werden auch über 5000 Arbeitplätze in anderen Ländern vernichtet.

Insgesamt belegt der Aktionstag, dass der Kampf der „MAHLE-Solidarität“ und des Metallertreffs Stuttgart richtig ist. Wir machen weiter!

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