Artikel aus “Solidarität” – 3. Januar 2021
Weil eine Pflegefachkraft die Zustände im Hamburger Asklepiosklinikum Sankt Georg öffentlich kritisiert, greift die Chefetage zur Kündigung
Es bleibe „die revolutionärste Tat“, wenn man ausspricht „was ist“, hatte Rosa Luxemburg einmal gesagt. Nur gefallen solche Taten gerade denen nicht, die verantwortlich sind für das „was ist“.
Und das „was ist“, ist ein Gesundheitswesen, in dem es immer mehr um Profit und Effizienz statt um eine für Patient*innen und Pflegekräfte angemessene Gesundheitsversorgung geht.
Diese Botschaft ist nicht neu, sie aber am konkreten Beispiel auszusprechen und es nicht etwa allgemein zu bemerken, scheint nach wie vor wenig erwünscht zu sein, wie einmal mehr das Beispiel von Romana Knezevic zeigt.
Von Steve Hollasky, Dresden
Die Pflegefachkraft hatte am 17. Dezember im „heute journal“ des NDR über die Zustände in ihrem Krankenhaus berichtet. Die Betriebsrätin hob in ihrem Interview mehrfach hervor, dass die Intensivstationen „am Limit angelangt“ seien. Zumindest „teilweise“ gebe dort bei „einem Betreuungsschlüssel von eins zu fünf“, wohingegen ein Verhältnis von eins zu zwei oder eins zu eins normal wäre.
Knezevic, die auch Sprecherin der Hamburger Krankenhausbewegung, eines Zusammenschlusses von Pflegekräften ist, kritisierte des Weiteren den Mangel an Reinigungspersonal. Auch diese Bereiche seien, ebenso wie die Pflege, „kaputt gespart“ worden. Somit wären Pflegekräfte gezwungen Reinigungsaufgaben zu übernehmen, was dazu führe, dass pflegerische Tätigkeiten darunter leiden würden. Selbst eine angemessene Sterbebegleitung wäre nicht in allen Fällen gesichert, so Knezevic.
Repression durch Asklepios
Diesen Darstellungen widersprach am darauffolgenden Tag Professor Berthold Bein, Leiter der Intensivabteilung, im NDR. Man halte die Personaluntergrenzen ein, obwohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) diese ausgesetzt habe, so Bein. Eine Pflegefachkraft versorge daher lediglich zwei bis drei Patientinnen und Patienten. Würden Patient*innen ihrer Coronaerkrankung erliegen, wäre „immer jemand dabei“.
Wenig später sprach Asklepios die Kündigung gegen Knezevic aus. Die Begründung hatte sich das Unternehmen auch gleich zurecht gelegt. Gegenüber der Hamburger Regionalseite von „Focus online“ hatte ein Sprecher des Unternehmens erklärt, Knezevic habe aus „ideologisch-politisch motivierten Gründen“ in den Medien „Falschinformationen“ verbreitet.
Dabei mehren sich Stimmen, die Knezevis Darlegungen bestätigen. So erklärten Hamburger Pflegekräfte, die ungenannt bleiben wollen, im Gespräch mit dem Autor dieses Artikels, die Sterbebegleitung leide inzwischen vielerorts unter der Personalnot. Die werde auch durch die Personaluntergrenzen nicht abgemildert. Genau diese hatte Bein aber stolz ins Feld geführt, um zu beweisen, dass es an Personal keinen akuten Mangel gebe. Dabei waren die Personaluntergrenzen nichts Anderes als die Reaktion von Spahn auf die seit Jahren anhaltenden Proteste der Beschäftigten in den Krankenhäusern gegen die dort immer dringender werdende Personalnot. Ein völliges unzureichendes Entgegenkommen, welches von Pflegekräften entsprechend heftig kritisiert wurde.
ver.di muss jetzt handeln
Schlimmer könnte es aus Gewerkschaftssicht kaum kommen: Ein Mitglied des Betriebsrates, die zudem aktiv bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist, wird entlassen, weil sie den Mut hatte in den Medien die Zustände in ihrem Krankenhaus anzuprangern. Und das obwohl Betriebsrät*innen eigentlich einen besonderen Kündigungsschutz genießen, damit sie sich ohne Angst vor dem Arbeitgeber für die Belange der Kolleg*innen einsetzen können.
Dieser Vorfall schreit nach einer bundesweiten Antwort! Der Fall müsste überall bekannt gemacht werden und die Botschaft von ver.di unüberhörbar sein: Wir lassen unsere Kolleg*innen nicht im Stich. Zu sagen „was ist“, ist richtig!
Es müssten Wege gesucht werden, bei der Chefetage von Asklepios den geballten Unmut der Beschäftigten abzuladen. Das kann über Beschwerden und Solidaritätsschreiben geschehen. Und es müsste ein Weg gefunden werden trotz Pandemie gegen diese Kündigung auch öffentlich zu protestieren! Sei es durch aktive Mittagspausen oder eben direkt vor Ort in Hamburg oder vor Niederlassungen von Asklepios im ganzen Bundesgebiet!
Es müsste unmissverständlich klar gemacht werden: Wer eine*n von uns angreift, greift uns alle an! Diese Botschaft darf nicht erst hinter den verschlossenen Türen eines möglicherweise ins Haus stehenden Prozesses vor dem Arbeitsgericht überbracht werden, bei dem ver.di Knezevic nach eigenem Bekunden unterstützen will. Es muss das unumstößliche Ziel sein, diese Kündigung vom Tisch zu kriegen.
Öffentliches Gesundheitswesen!
Eines zeigt der Fall Knezevic noch einmal mehr: Privaten Unternehmen geht es im Gesundheitswesen, wie in jedem anderen Bereich, nur darum Profit zu machen. Kritiker*innen werden da ganz schnell mal beiseite geschoben.
Privatisierungen sind, auch bei Krankenhäusern und in der Pflege, ein Angriff auf die demokratischen Rechte, schon deshalb muss damit Schluss sein. Doch es geht um mehr: Wenn nicht mehr Profitstreben und Effizienzdenken die Eckpfeiler des Gesundheitswesens und der Pflege sein sollen, dann gilt es Unternehmen wie Asklepios und andere zu enteignen und die in deren Besitz befindlichen Krankenhäuser in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten und der Gesellschaft zu überführen.
Die Grundlage und das einzige Ziel müssen die umfassende Hilfe für und die bedarfsgerechte Versorgung von Patient*innen sein, bei Arbeitsbedingungen, die die so wichtigen Berufe in Pflege und Gesundheit wieder angenehm werden lassen. Im Kapitalismus bleibt dies auf die Dauer leider nur ein schöner Traum, weshalb auch dieser Fall einmal mehr zeigt, dass es darum geht, die Frage nach einer sozialistischen Gesellschaft zu stellen, in der der gesellschaftlich erwirtschaftete Reichtum demokratisch verwaltet wird.