Für einen bundesweit koordinierten Kampf für mehr Personal

Für eine Finanzierung der Krankenhäuser entsprechend dem Bedarf! Weg mit den Fallpauschalen! Schluss mit allen Privatisierungen – Rekommunalisierung aller Krankenhäuser!

Die vierte Welle der Corona-Pandemie hat deutlicher denn je aufgezeigt, dass es an ausreichendem Personal fehlt. Tausende von Intensivbetten können nicht betrieben werden, die dringend notwendig wären, um eine größere Triage zu verhindern, weil es an entsprechendem Intensivpflegepersonal fehlt. Seit Jahrzehnten machen die Kolleg*innen und Gewerkschaften darauf aufmerksam, dass Pflegekräfte fehlen – bundesweit über 80.000 (nach ver.di-Angaben).

Seit Jahren versprechen Politiker*innen Verbesserung, die Situation hat sich in der Pandemie eher verschlechtert. Durch die Pandemie hat sich die Situation der Krankenhausbeschäftigten noch weiter verschärft und zugespitzt. Tausende von Pflegekräften haben in den letzten 2 Jahren entweder ihren Job an den Nagel gehängt, intern die Stelle gewechselt oder sind in Teilzeit gegangen (s: DKI Krankenhaus-PoolUmfrage Oktober 2021:Abwanderungen aus der Intensivpflege, unter: https://www.dkgev.de/fileadmin/ default/ Mediapool/ 1_DKG/ 1.7_Presse/1.7.1_Pressemitteilungen/2021/2021-11-03_PM_DKG_zur_ Untersuchung_ der_ Pflegepersonalsituation_ in_der_Pandemie_Anlage.pdf).

Auch das Versprechen der Ampelkoalition, die schon seit zwei Jahren existierende PPR 2.0 (eine Übergangs-Personal-bemessung, beauftragt vom alten Gesundheitsminister) – ausgehandelt zwischen Deutschem Pflegerat, Deutscher Krankenhausgesellschaft und ver.di – umzusetzen, wird die Situation nicht nachhaltig verbessern. Denn die Refinanzierung der Personalkosten ist trotz der Herausnahme aus dem Fallpauschalen-System nicht gelöst und solange die Arbeitsbedingungen so miserabel bleiben, werden die Kolleg*innen, die dem Beruf den Rücken gekehrt haben, nicht zurückkehren. Ganz abgesehen davon bleibt offen, ob diese Personalbemessung überhaupt in absehbarer Zeit umgesetzt wird.

Verantwortlich für diesen unhaltbaren Zustand ist die Privatisierung des Krankenhausbereichs und der daraus folgenden Profitmaximierung und Konkurrenz unter den Krankenhäusern um die größten Gewinne. Dadurch geraten (noch) öffentlich verwaltete Kliniken unter starken wirtschaftlichen Druck. Die sog. Fallpauschalen (DRGs) refinanzieren nicht die vollen Behandlungskosten, dadurch geraten Krankenhäuser, die für die Grund- und Vollversorgung der Bevölkerung zuständig sind – in der Regel kommunale und Unikliniken – tendenziell in eine wirtschaftliche Schieflage. Dieses System bevorzugt allein die Kliniken, die sich auf bestimmte Behandlungen – wie z.B. lukrative Operationen – spezialisieren, um damit Profit zu machen. Gesundheitskonzerne wie Helios, Sana oder Asklepios haben sich damit in den letzten Jahren eine goldene Nase verdient, auf Kosten der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung der Belegschaften!

Erfolgreicher Kampf in Berlin

Gegen diese Situation sind in den letzten Jahren – nicht zuletzt in den beiden Tarifrunden (Bund/Kommunen 2020 und Länder 2021) – Tausende von Kolleg*innen aus den Kliniken auf die Straße gegangen. In 16 Unikliniken und kommunalen Krankenhäusern gibt es Vereinbarungen zur Entlastung des Personals. Zuletzt haben sich Kolleg*innen aus der Charité und von Vivantes – ein kommunaler Krankenhauskonzern – in Berlin gemeinsam aufgemacht und einen Tarifvertrag zur Entlastung des Personals in einem fünfwöchigen Durchsetzungsstreik erkämpft. Zusammen mit den Kolleg*nnen streikten die Belegschaften der ausgelagerten Tochtergesellschaften von Vivantes sieben Wochen für die Übernahme des TVöD in ihren Unternehmen. Auch wenn es bei den Tochtergesellschaften zunächst „nur“ zu ersten Angleichungen an den TVöD kommen wird und auch unklar ist, ob der Druck durch den vereinbarten TV-Entlastung und der Umsetzungsregelungen ausreichen wird, um das dringend notwendige zusätzliche Personal einzustellen, ist dies ein großer Erfolg für alle Kolleg*innen aus dem Krankenhausbereich. Dieser war nur möglich geworden, weil sich die Kolleg*innen massenhaft an den Streiks, Demos und anderen Aktivitäten beteiligt haben. Dies wurde möglich, weil die Belegschaften selbst über ihre Forderungen und zumindest zum Teil auch über die Kampfmaßnahmen diskutieren und entscheiden konnten (zur Einschätzung der VKG an der Berliner Krankenhausbewegung (s. https://www.vernetzung.org/lehren-eines-bedeutenden-streiks-beschaeftigte-bei-charite-vivantes-und-tochtergesellschaften-setzen-tarifvertrag-entlastung-und-einen-tarifvertrag-mit-ersten-angleichungen-an-den-tvoed-durch/). Damit haben die Kolleg*innen dies als ihren Kampf begriffen und konnten diese harte Auseinandersetzung auch so lange und so konsequent durchhalten. Darüber hinaus waren auch Unterstützungs- und Soli-Aktionen von anderen Initiativen wie dem Pflegebündnis „Gesundheit statt Profite“ oder „Deutsche Wohnen Enteignen“ von großer Wichtigkeit.

Dieser Kampf hat eine bundesweite Ausstrahlung, dafür sorgen auch die Aktiven selbst, indem sie Infoveranstaltungen u. ä. organisieren: In NRW haben sich die Beschäftigten der 6 Unikliniken gemeinsam auf den Weg gemacht, um einen Entlastungstarifvertrag für alle Unikliniken durchzusetzen. In anderen Bezirken gibt es sicherlich ähnliche Überlegungen.

Für einen bundesweit koordinierten Kampf für mehr Personal

Doch es wird wie in der Vergangenheit nicht ausreichen, dass sich immer wieder nur einzelne Belegschaften verschiedener Krankenhäuser auf den Weg machen, um für mehr Personal oder bessere Arbeitsbedingungen in den ausgegliederten Teilbereichen zu kämpfen: Die Kolleg*innen von Charité und Vivantes und den Vivantes-Töchtern haben es vorgemacht, ein gemeinsamer Kampf ist besser und schlagkräftiger. Von daher wäre es notwendig, dass ver.di die Belegschaften aller Krankenhäuser bundesweit für einen Kampf um mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen fit macht und darauf vorbereitet. Dafür wäre es sinnvoll, die aktiven Kolleg*innen aller Krankenhäuser zusammenzurufen, um gemeinsam zu überlegen und zu entscheiden, wie eine gemeinsame Kampagne für die Durchsetzung eines bundesweiten Tarifvertrags zur Entlastung und für gleiche Arbeitsbedingungen angegangen werden kann.

Das allein wird aber auch noch nicht ausreichen: Damit die Klinikleitungen den Kampf um mehr Personal nicht unterwandern können, indem sie z.B. umstrukturieren oder Betten abbauen mit dem Hinweis auf knappe finanzielle Ressourcen, muss es in dieser Auseinandersetzung auch um die ganze Frage der Privatisierung gehen und deren Grundlage ‒ der Abschaffung des gesamten Fallpauschalen-Systems.

Weg mit den Fallpauschalen – Schluss mit der Privatisierung – Rekommunalisierung

Es braucht eine Finanzierung, die dem realen Finanzbedarf der Krankenhäuser entspricht. Solange das Fallpauschalen-Regime insgesamt herrscht, wird es weiter zu Schließungen ganzer Krankenhäuser oder nicht profitabler Bereiche kommen. Allein 2020 sind ca. 25 Krankenhäuser geschlossen worden, 2021 gab es 9 volle und 22 Teilschließungen und für 2022 sind 31 Klinikschließungen beschlossen. Weitere 19 Krankenhäuser sind von einer Schließung bedroht. Über 100 (Teil-) Schließungen während einer Pandemie zeigen deutlich, dass es in unserem kapitalistischen System nicht um gute Gesundheitsversorgung geht, sondern um gute Profite. Die Bertelsmann-Studie zur Krankenhausdichte sieht nur noch Großkliniken vor, die lediglich noch eine sehr zentralistische Versorgung der Bevölkerung vorsehen.

Gerade in der Pandemie sind viele Krankenhäuser, die besonders viele schwerkranke Corona-Patient*innen versorgen mussten, in eine finanzielle Schieflage geraten, da der Ausfall von Behandlungen auch durch die Subventionen in der ersten Phase der Pandemie (Prämie für das Freihalten von Betten oder für das Bereitstellung von Intensivbetten) nicht kompensiert werden konnten. Dies zeigt nochmal die ganze Absurdität der Privatisierungspolitik und des damit verbundenen Fallpauschalen-Systems auf. Ein Gesundheitssystem, das einer guten und adäquaten Behandlung und Versorgung aller Patient*innen, ob jung oder alt, ob chronisch oder akut krank unter guten Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten dient, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss politisch gelöst werden. Sich an die Seite der streikenden Kolleg*innen zu stellen und dafür alle Beschäftigten, die ein Interesse an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem unter guten Arbeitsbedingungen haben, zu mobilisieren, ist die Aufgabe aller DGB-Gewerkschaften. Mit einer solchen Mobilisierung, bis hin zu Solidaritätsstreiks, könnte eine gesellschaftspolitische Bewegung geschaffen werden, die die Kraft hat, einen erfolgreichen Kampf gegen Privatisierungen und mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitssektors zu führen. Der Kampf um eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung für alle und unter guten Arbeitsbedingungen kann nur gewonnen werden, wenn Schluss gemacht wird mit der Privatisierungspolitik, die Fallpauschalen ersetzt werden durch eine Finanzierung, die den realen Bedarf deckt, und die bereits privatisierten Kliniken in öffentliches Eigentum überführt werden, unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und Patient*innen und ihrer Organisationen.

Entscheidung über den Kampf durch die Kolleg*innen

Der Kampf um mehr Personal ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Um dies vorzubereiten, wäre es sinnvoll, ausgehend von der Beratung der aktiven Kolleg*innen über die Fortführung des Kampfes für mehr Personal und gleiche Arbeitsbedingungen, eine Krankenhauskonferenz einzuberufen, auf der alle DGB-Gewerkschaften, aber auch Parteien (wie DIE LINKE) und Organisationen (z.B. PatientInnenorganisationen), die sich auf die Interessen der Beschäftigten und Patient*innen berufen, vertreten sind. Diese Konferenz hätte zur Aufgabe, gemeinsam darüber zu beraten und zu beschließen, wie eine solche Perspektive umgesetzt werden kann

  • Schluss mit der Privatisierungspolitik im Gesundheitsbereich! Schluss mit Krankenhausschließungen!
  • Weg mit den Fallpauschalen – für die volle Refinanzierung aller medizinisch notwendigen Behandlungen!
  • Alle müssen in die Krankenkassen einzahlen. Weg mit den Beitragsbemessungsgrenzen!
  • Bund und Länder müssen die notwendigen Investitionskosten voll übernehmen – dies ist möglich durch eine progressive Besteuerung von Kapital, Gewinnen und großen Vermögen!
  • Rekommunalisierung aller privatisierten Kliniken unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient*innen und ihrer Organisationen – den ExpertInnen für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung!
  • Alle ausgegliederten Bereiche müssen unter einem Dach zu gleichen Löhnen und unter gleichen Arbeitsbedingungen reintegriert werden!
  • Für eine Arbeitszeitverkürzung auf 30-Stunden/Woche – bei vollem Lohn- und Personalausgleich – diese dient zum einen der Entlastung, bietet aber auch die Möglichkeit der Einstellung von zusätzlich benötigten Kolleg*innen!
  • Für eine adäquate Bezahlung der Beschäftigten!
  • Für einen gesetzlichen Personalschlüssel in allen Gesundheitsbereichen entsprechend dem realen Bedarf, ermittelt durch die Beschäftigten selbst!

Flyer:

Aufruf wie weiter nach Abschluss Berlin Layout

 

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