Sozial- und Erziehungsdienst: Verhandlungsergebnis ablehnen! VKA missachtet die Situation der Beschäftigten – deshalb weiter kämpfen!

In der dritten Verhandlungsrunde haben sich die Verhandlungsführungen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) und der Gewerkschaften auf ein Ergebnis geeinigt. Aus Sicht der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) VKG ist dies unzureichend. Die drei hauptsächlichen Themen waren Aufwertung, Entlastung und Personalmangel. Alles drei wird im jetzigen Ergebnis völlig unzureichend gelöst. Dem entspricht auch die Stellungnahme der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA), auf deren Webseite zu lesen ist: 

Positiv zu werten ist aus Sicht der VKA, dass die Gewerkschaften im Verlauf der dreitägigen Verhandlungsrunde von ihren aus Arbeitgebersicht nicht umsetzbaren Vorstellungen zum Thema der umfassenden Höhergruppierungen und zur Entlastung der Beschäftigten abgerückt sind. „Wir haben deutlich aufgezeigt, wo die Grenze des Leistbaren für die kommunalen Arbeitgeber liegt.“

Schon 2015 hatte es einen Kampf für Aufwertung gegeben, der allerdings gegen den ausdrücklichen Protest der Mitglieder beendet und letztlich zu einem für viele enttäuschenden Ergebnis mit fünf Jahren Laufzeit führte. Die ver.di-Führung hatte dann versprochen, die Kampagne wieder aufzunehmen. Allerdings wurde diese wegen Corona um zwei Jahre verschoben.

Aufwertung

Die Forderungen für Aufwertung waren z.B. für die große Gruppe der Erzieher*innen eine höhere Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b, was für langjährige Beschäftigte etwa 400 Euro brutto bedeutet hätte. Sozialarbeiter*innen sollten an den Verdienst von Berufen mit vergleichbaren Studienabschlüssen wie Ingenieuren angeglichen werden.

Die VKA ist nicht bereit, die geforderten Höhergruppierungen für alle umzusetzen. Stattdessen wurden nun ab dem 1. Juli 2022 Zulagen von 130 Euro für die EG S4-S11a und 180 Euro für die EG S11b-15 verhandelt. Für Praxisanleitung gibt es eine Zulage von 70 Euro. Zusammen genommen ist es angesichts dessen, was gefordert wurde und nötig wäre, um die Berufe endlich aufzuwerten, viel zu wenig. Prozentual machen die Zulagen auch weniger aus, als es den Eindruck macht. Auch kommt bei der vergleichsweise hohen Zahl an Teilzeitbeschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst nicht der volle Betrag an. Einige Rechenbeispiele sollen hier veranschaulichen, was die Zulagen aktuell bei einer Vollzeitstelle prozentual ausmachen:

S 4 Stufe 4     €3226,82 + €130 = €3356,82 – also plus 4,03%

S 8a Stufe 2  €3142,47 + €130 = €3272,47 – also plus 4,14%

S 11b Stufe 3   €3710,32 + €180 = €3890,32 – also plus 4,85%

Zudem muss man bedenken, dass die Zulagen sich über die gesamte lange Laufzeit von fünf Jahren nicht verändern. Das wäre bei Höhergruppierungen natürlich anders, denn diese würden sich dynamisch mit den jeweiligen Entgelttarifergebnissen, zum Beispiel aus der anstehenden Tarifrunde Bund und Kommunen, erhöhen. Wenn die Inflation sich weiter so rasant fortsetzt – wonach es zunächst aussieht – werden diese Zulagen bald nicht mehr viel wert sein. Die sehr schlecht bezahlten Beschäftigten in der Schulassistenz und persönlichen Assistenz, die häufig in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, wurden wieder nicht berücksichtigt. Sicher sollte die Angleichung an die Stufenlaufzeiten an den öffentlichen Dienst als Fortschritt gesehen werden – allerdings gilt diese erst ab 1. Oktober 2024. Insgesamt bedeutet die ungenügende Aufwertung, dass das Gender Pay Gap weiter fortgeführt wird, da der große Teil der Beschäftigten Frauen sind.

Entlastung

Ursprünglich wurde gefordert, dass Beschäftigte für besondere Belastungen Entlastungspunkte bekommen, und diese in Freizeit umwandeln können. So sollte indirekt Druck aufgebaut werden, damit mehr in den Aufbau von Personal investiert wird. Dies wurde nun durch zwei pauschale zusätzliche freie Tage im Jahr ersetzt. Zudem können sich Kolleg*innen zwei weitere freie Tage erkaufen, indem sie auf einen Teil der Zulagen verzichten – im Prinzip unbezahlter Urlaub. Dies wird zusammen genommen keinen Effekt auf einen Personalaufbau haben. Solange es kein Instrument gibt, um die Personalsituation zu verbessern, werden zusätzliche freie Tage die Lage nicht verbessern. Viele Kolleg*innen betonen, dass es ihnen vor allem darum geht, die Qualität der Arbeit zu verbessern – zum Beispiel die Kinder in den Kitas nicht nur zu „verwahren“ oder „abzufertigen“. Die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Christine Behle sagte in ihrer Videoansprache zum Ergebnis, dass die Frage der Entlastung durch mehr Personal nicht tarifvertraglich geregelt werden könne. Dies widerspricht allerdings anderen Aussagen vorher und der Tatsache, dass zum Beispiel in Krankenhäusern seit 2015 Tarifverträge Entlastung (TV-E) verhandelt und erstreikt werden. Bei allen Schwierigkeiten, die sich dabei in der Umsetzung ergeben, zeigt das doch, dass es möglich ist. Es wäre ein geeignetes Mittel, um über einen Tarifkampf gesellschaftlichen Druck aufzubauen. 

Von Anfang an schien in der diesjährigen S&E-Runde nicht geplant, einen Erzwingungsstreik vorzubereiten. Die Streikdelegiertenkonferenz von 2015 wurde abgeschafft und durch die so genannten Tarifbotschafter*innenkonferenzen ersetzt, die online als reine Top-Down-Veranstaltungen stattfanden. Für die nächsten Auseinandersetzungen sollten sich die Kolleg*innen das Instrument der Streikdelegiertenkonferenz zurückholen. Alle wichtigen Entscheidungen über den Arbeitskampf, inklusive Ausweitung oder Abbruch, sollten von den Streikenden selbst über Streikversammlungen und Delegiertenkonferenzen getroffen werden.

Kampagne für mehr Personal im öffentlichen Dienst

Es sollte diskutiert werden, wie eine breite Kampagne für mehr Personal und bessere Ausstattung  in Kitas, Sozialdiensten, aber auch in Schulen, Krankenhäusern, Pflege  und öffentlichem Verkehr angegangen werden kann. Denn das Problem der völligen Überlastung und des Personalmangels ist überall bekannt und eklatant. Es hat sich aber gezeigt, dass Appelle an die Politiker*innen, Postkartenaktionen, Pressearbeit und Petitionen allein keine Verbesserung bringen. Immer heißt es, das Geld sei dafür nicht vorhanden. Wenn es aber um militärische Aufrüstung geht, werden plötzlich 100 Milliarden Euro hergezaubert – die Großaktionär*innen der Rüstungskonzerne freut das sehr. Um etwas zu verändern, muss der geballte Druck aus den betroffenen Betrieben auf die Straße gebracht werden – nicht einzeln, sondern gemeinsam und mit einer breiten Solidaritätskampagne aus der arbeitenden Bevölkerung. Arbeitskämpfe in diesen Bereichen, die alle von ver.di organisiert werden, sollten endlich zusammen gebracht werden. Alle DGB-Gewerkschaften sollten dann mit ins Boot geholt werden, um aus einer solchen Kampagne eine große gesellschaftspolitische Bewegung zu machen! Schließlich haben alle anderen Beschäftigten etwas davon, wenn ihre Kinder bessere Bedingungen haben oder ihre Angehörigen durch ausreichend Personal gepflegt werden. Eine solche gezielte Kampagne – inklusive Streiks und Massendemonstrationen –  würde auch die potenzielle Macht der Gewerkschaften endlich sichtbar machen und wäre das beste Mittel, um massenhaft neue Mitglieder zu gewinnen!

Mit Nein stimmen!

Es gibt eine Mitgliederbefragung zu diesem Ergebnis bis Mitte Juni. Solange es keine organisierte Vernetzung an der Basis gibt, ist es unwahrscheinlich, dass bei dieser Befragung eine mehrheitliche Ablehnung zustande kommt. Denn viele Kolleg*innen werden sich sagen, wenn die ver.di-Führung den Kampf nicht weiter organisieren will, kann man auch nicht viel machen. Viele werden sich wahrscheinlich gar nicht an der Befragung beteiligen. In Mitgliederchats und Diskussionen ist allerdings auch klar geworden, dass viele Kolleg*innen dieses Ergebnis als völlig unzureichend betrachten. Es ist wichtig, eine Nein-Stimme abzugeben, um dies auch zur Geltung zu bringen. Eine Weiterführung des Kampfes wäre außerdem möglich!

Nächster Kampf: TVÖD – Runde

Darüber hinaus ist wichtig, dass kämpferische Kolleg*innen sich jetzt vernetzen, auch um sich auf die TVÖD- Tarifrunde vorzubereiten. Hier wäre es nötig, sich mit den Beschäftigten in Bund und Kommunen schon jetzt auf Erzwingungsstreik vorzubereiten!

Für diese Tarifrunde schlagen wir vor, dass die Forderung deutlich über der aktuellen Inflationsrate liegen muss. So würde aktuell eine Forderung in der Größenordnung von plus 10 Prozent beziehungsweise einer Festgeldforderung von etwa 400 Euro für alle angemessen sein. Sollten die Preise noch weiter anziehen, müsste die Forderung noch höher sein. 

Schon jetzt sollten überall Betriebsgruppen- und Vertrauensleute-Versammlungen organisiert werden, und über die Möglichkeiten in der Tarifrunde inklusive Erzwingungsstreik diskutiert werden. Vernetzt euch, um diese Punkte jetzt reinzutragen. Tretet mit uns in Kontakt.

Flyer zum Herunterladen:

https://vernetzung.org/wp-content/uploads/2022/05/Flyer-TR-SuE-Ergebnis-1.pdf

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