Aus ganz Süddeutschland sind am Montag, den 24. November, Arbeiter:innen der Metall- und Autoindustrie nach Waiblingen bei Stuttgart gereist, um solidarisch an der Seite ihrer Kolleg:innen bei Bosch gegen die Ende September neu angekündigten Massenentlassungen von 13.000 Arbeiter:innen zu kämpfen.
Am selben Abend treffen sich Kolleg:innen aus der Region Stuttgart zum Metallertreff der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in Bad Cannstatt, mit dabei auch Boschler for Future, „ein Zusammenschluss von IG Metall Betriebsräten, Vertrauensleuten und Kollegen aus verschiedenen Bosch Betrieben der Region Stuttgart, die sich gegen die Kahlschlag-Pläne von Bosch wehren wollen.“
Bosch ist der weltweit größte Autozulieferer und möchte einschließlich bereits geplanter Entlassungen bis 2030 deutschlandweit 22.000 Arbeitsplätze streichen, einen Großteil davon in der Produktionssparte Bosch Mobility, welche Bauteile und Technik für die Automobilproduktion herstellt. Allein in der Region Stuttgart arbeiten Metaller:innen an über 20 Bosch-Standorten, von denen viele direkte Zulieferer an die regionale Autoindustrie, wie die Daimler-Mercedes Werke in Stuttgart und Sindelfingen sowie die Audi Werke in Heilbronn, sind. Auch Genoss:innen des Autozulieferers MAHLE, mit über 20 Standorten in der Region Stuttgart und angedrohtem Stellenabbau, sowie des lokal-ansässigen Motorgeräte-Herstellers Stihl sind beim Treffen mit dabei.
Schon seit Jahrzehnten steckt das deutsche Automobilkapital aufgrund sinkender Profitabilität gegenüber der internationalen Konkurrenz in der Krise und antwortet hierauf in den letzten Jahren immer drastischer mit massivem Personalabbau und Werksschließungen in westeuropäischen Standorten und Produktionsverlagerungen nach Osteuropa und China.
Weltweit steckt die Automobilbranche in einer Überproduktionskrise, nicht verkaufte Autos türmen sich im Millionenbereich, auch massiv vorangetrieben durch chinesische Überkapazitäten. Das Industriekapital und der Staat hoffen, diese Krise mit einer zunehmenden Militarisierung ausgleichen zu können, wovon das diesjährig durchgemogelte 500 Milliarden Euro schwere Aufrüstungspaket der deutschen Bundesregierung zeugt. So sollen deutsche Produktionsstandorte des Automobilsektors in den kommenden Jahren zunehmend auf Militärproduktion umgestellt werden. Und all dies, während trotz der ‚Krise‘ die Gewinne, Gewinnrücklagen und Renditen der drei größten deutschen Autokonzerne und ihrer Aktionär:innen im hohen zweistelligen Milliardenbereich weiterhin ansteigen.
Obwohl die IG Metall Stuttgart zu Kundgebungen gegen die Massenentlassungen aufruft, ist allen Kolleg:innen beim kämpferischen Metallertreff glasklar, dass die Funktionär:innen und Bürokrat:innen der IG Metall sich hinter Argumenten wie „Verständigung“ und „Kompromiss“ schnell den Manager:innen und dem Kapital beugen und die ursprüngliche Ziele der Arbeiter:innen zugunsten einer „Einigung“ aufgeben. Verhandlungen zwischen Gewerkschaftsvertreter:innen und den Unternehmen werden in Hinterzimmern geführt. Ohne demokratisch über die Forderungen des Arbeitskampfes mitbestimmen zu dürfen, wird die Belegschaft hintergangen und schließlich vor vollendete Tatsachen gestellt.
„Wenn wir das Streikrecht legal nicht ‚haben‘, müssen wir es uns nehmen!“, erinnert eine Kollegin die Runde beim Metallertreff. Sie deutet damit auf das in Deutschland äußerst eingeschränkte Streikrecht hin, welches seit den 1950er Jahren nur wacklig auf dem Urteil eines Nazi-Richters beruht und im Widerspruch zu europäischem Streikrecht steht. Den Gewerkschaften ist demnach nur ‚erlaubt‘, im Rahmen von Verhandlungen über Sozialtarifverträge zu Streiks aufzurufen. Politische Streiks, unbefristete Erzwingungsstreiks, sogenannte ‚wilde Streiks‘, werden sowohl von Arbeitgeber:innen und Gewerkschaftsfunktionären immer wieder als „illegal“ bezeichnet und nicht gewerkschaftlich getragen. Auch den Betriebsräten wird durch das Betriebsrats Verfassungsgesetz eine „friedliche und kooperative“ Zusammenarbeit im Rahmen von Verhandlungen vorgeschrieben. Sollten Verhandlungen scheitern, wird häufig seitens des Managements ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, welches erstens eine ‚Friedenspflicht‘ und Unterbruch von Streiks vorsieht und in den meisten Fällen quasi der Gewerkschaftsseite eine Einigung aufzwingt.
Die Kolleg:innen im Metallertreff sind sich in antimilitaristischer, antifaschistischer und internationalistischer Haltung allesamt einig. Solidarität mit Kolleg:innen in osteuropäischen oder chinesischen Produktionsstandorten wird großgeschrieben: „Die sind nicht unsere Konkurrenten, sondern wir ziehen alle am gleichen Strang.“ Auch antifaschistische Strategien und Taktiken des Arbeitskampfes werden im Treffen besprochen. Gemäß einem Kollegen wählen 40 Prozent der baden-württembergischen IG Metall Mitglieder die AfD und verfallen in der Suche nach Ursachen der Automobilkrise oft anti-ökologischen, xenophobischen und nationalistischen Narrativen und Rhetorik der Rechten. Diesen Kolleg:innen müsse erstmal die realistische Perspektive eines gemeinsamen Arbeitskampfes aufgezeigt und nahegebracht werden – schließlich stünden so die Chancen auf Arbeitsplatzerhalt deutlich höher als wenn jeder nur für sich schaue.
Ein Kollege stellt klar, dass das Problem nicht zwischen Verbrenner- und Elektroautos besteht – schließlich führt auch die Produktion von Elektroautos derzeit zu massiven sozialen und ökologischen Schäden in der Ressourcenbeschaffung – sondern, dass der individuelle Personenverkehr selbst das Problem ist. Nur eine Priorisierung und Umstellung auf gesellschaftlich sinnvolle und ökologisch nachhaltige Mobilität und Technologie, wie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, ist zukunftsträchtig und mit ökosozialistischen Zielen vereinbar.
Eine Genossin berichtet, dass 80-90 Prozent der Bosch-Kolleg:innen vor den Werkstoren und in den Mensen die Flyer mit Aufruf zu Streiks dankend entgegengenommen hätten. Das Interesse ist also durchaus da. Darauf aufbauend muss die Belegschaft nun zur Kampf- und Streikbereitschaft bewegt werden und dies unter Umständen auch gegen die bremsende Gewerkschaftsführung durchsetzen.
Wir unterstützen die Selbstorganisierung kämpferischer Metallarbeiter:innen gegen die geplanten Massenentlassungen, sowie umfassende und sektorenübergreifende Streiks und Betriebsbesetzungen, um Arbeitsplätze zu erhalten, die Produktion unter demokratische Kontrolle der gesamten Belegschaft zu bringen und eine Umstellung hinzu zukunftsfähiger Produkte zu erzwingen.
Falls ihr Freund:innen, Familie und Bekannte habt, die im Metall- und Automobilsektor arbeiten, ruft diese dazu auf, sich betrieblich, regional und deutschlandweit gegen die Kahlschlagpläne zu organisieren und sich linken und kämpferischen Gewerkschafts- und Arbeiter:innengruppen, wie der VKG, anzuschließen.
Artikel von Teia Strohm vom 30.11.2025 – Erstveröffentlichung unter: