TVöD 2020: Forderungen voll durchsetzen! Streiks vorbereiten und Solidarität aufbauen

Der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA), Ulrich Mädge (SPD) hält die Forderungen nach 4,8 % mehr Lohn bzw mindestens 150 Euro für „überzogen“. Es gäbe „nichts zu verteilen“ und eine Angleichung der Arbeitszeit im Osten von 40 auf 39 Stunden findet er – nach nunmehr dreißig Jahren „Einheit“ – „nicht akzeptabel“. (FAZ online 31.8.20)

Arbeitgeberhaltung skandalös!

Diese skandalösen Äußerungen sind aufs Schärfste zurückzuweisen. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten brauchen die Beschäftigten mehr Geld. Und noch dringender ist für viele eine notwendige Entlastung durch Arbeitszeitverkürzung. Wenn etwas unakzeptabel ist, dann die fortgesetzte Schlechterstellung der Kolleg*innen in Ostdeutschland! Diese Dreistigkeit begründet Mädge mit den leeren Kassen. Dabei wurden in den letzten Monaten mehrere Milliardenschwere Rettungspakete durch den Bundestag gejagt. Rettungsschirme für Unternehmen wie Lufthansa wurden bereit gestellt, ohne Arbeitsplatzgarantien. Jetzt soll für den öffentlichen Dienst kein Geld da sein. Das ist lächerlich.

Seit der letzten großen wirtschaftlichen Krise 2007-2009 gab es ein Jahr nach dem anderen mit Rekordgewinnen für Konzerne und neuen Zahlen zur Ungleichverteilung privater Vermögen. Dieser Reichtum in den Händen weniger wird nicht angetastet. Stattdessen soll die Masse der Lohnabhängigen für die Krise aufkommen. Die Gewerkschaften müssen hier klar NEIN sagen!

Die von der ver.di-Bundestarifkommission beschlossenen Forderungen sind in Wirklichkeit noch bescheiden. Nicht nur, was die Löhne angeht. Auch die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sind den Kolleg*innen ein zentrales Anliegen.

12 Monate Laufzeit – nicht mehr!

In den letzten Jahren wurden immer wieder Abschlüsse von zwei Jahren oder gar länger gemacht. Dadurch werden die Abschlüsse niedriger. Natürlich sind 4,8% in Schritten über zwei Jahre (zB im ersten Jahr 2,4% und im 2. Jahr wieder 2,4%) wesentlich weniger als 4,8% über zwölf Monate Laufzeit. Bei der ersten Variante käme es auf die Inflationsrate an, damit überhaupt ein Plus am Ende steht.

Die jetzige Lage ist instabil. Man weiß nicht, was im nächsten Jahr kommt, auch ob es zu schnellen Preissteigerungen, beispielsweise bei Strom oder Lebensmitteln kommen kann.

Im nächsten Herbst sind Bundestagswahlen. Strategisch ist deshalb umso wichtiger, einen Tarifvertrag nicht länger als zwölf Monate abzuschließen. Jede Tarifauseinandersetzung sollte auch als gesellschaftspolitische Auseinandersetzung gesehen werden: Die Gewerkschaften müssen deutlich machen, dass sie nicht hinnehmen werden, wenn die Masse der abhängig Beschäftigten jetzt für die Krise zahlen soll.

Beschäftigte aus allen Bereichen – privat und öffentlich – dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern stattdessen muss gemeinsam gekämpft werden. Es muss vermieden werden, dass Gruppen von Beschäftigten separat weiter verhandelt werden, während für andere bereits ein Abschluss getätigt wurde, da dies kaum Aussicht auf Erfolg hat.

Mehr Personal in Krankenhäusern – im Interesse aller!

Gleichzeitig ist jetzt sehr wichtig, auch die Forderungen der Beschäftigten in den Krankenhäusern besonders zu unterstützen. Ver.di fordert hier einen separaten Verhandlungstisch. Hier darf es nicht nur vageZusagen geben. 500 Euro mehr für alle Beschäftigten in den Krankenhäusern sind nötig, auch um den Personalnotstand zu beseitigen und wurde von vielen aufgebracht. Im Kampf für eine Personalbemessung sollte ver.di jetzt außerdem die Chance beim Schopf packen, und nicht nur eine gesetztliche Personalbemessung fordern, sondern eine tarifliche Personalbemessung erkämpfen! Gerade jetzt, vor dem Hintergrund dessen, dass die Notwendigkeit des Ausbaus des Gesundheitswesens so deutlich ist, wie nie, ließe sich hierfür auch eine breite Solidarität aufbauen.

Spätestens bei der nächsten Tarifrunde sollte auch selbstbewusst die Forderung nach einer 35 Stundenwoche für alle als ersten Schritt – bei vollem Lohn- und Personalausgleich – aufgestellt werden. Das wäre mobilisierend – auch für Kolleg*innen mit befristeten Arbeitsverträgen! Eine solche Forderung wäre wichtig im Kampf gegen Erwerbslosigkeit und würde auch die Solidarität von Beschäftigten aus anderen Branchen stärken.

Verzicht rettet keine Arbeitsplätze

Die Idee, Verzicht sei notwendig, um Arbeitsplätze zu erhalten, ist nicht neu. Die Kolleg*innen von Karstadt/Kaufhof können ein Lied davon singen. Und was hat ihnen eine Verzichtsvereinbarung nach der anderen letztlich gebracht? Nichts. Genauso geht es vielen anderen Kolleg*innen. Das alte Konzept der Sozialpartnerschaft, auf das die Gewerkschaftsführungen immer noch setzen, führt in die Sackgasse. Stattdessen kommt es darauf an, die gewerkschaftliche Kampfkraft zu stärken und auf Kompromissangebote, die ohne Not gemacht werden, zu verzichten. Kolleg*innen lassen sich am besten für selbstbewusste Forderungen mobilisieren, für die es sich auch lohnt zu kämpfen. Die Kolleg*innen haben nichts zu verschenken – im Gegenteil.

Was in der jetzigen Zeit erreicht werden kann, ist keine Frage von geschicktem Verhandeln, oder einem wohlwollenden Schlichter und auch nicht von der Menge an Petitionen. Letztlich können die Dreistigkeiten der Arbeitgeber und die eigenen Forderungen nur mithilfe von Streiks durchgesetzt werden.

Sind die Beschäftigten im ÖD zu schwach aufgestellt?

Klar ist, dass es wenig Erfahrungen mit flächendeckenden Streiks während Pandemie-Bedingungen gibt. Andererseits hat sich schon bei betrieblichen Arbeitskämpfen gezeigt, dass es durchaus möglich ist, unter Berücksichtigung von Hygienemaßnahmen zu streiken und zu protestieren.

Tarifrunden dürfen keine Routine-Veranstaltungen mehr sein. Man muss sich jetzt auf harte Auseinandersetzungen einstellen. Dabei müssen auch die Kolleg*innen demokratisch einbezogen werden. Ein Mittel dafür wären überregionale und bundesweite Streikdelegiertenkonferenzen mit gewählten Streikdelegierten, wo wirklich diskutiert und entschieden wird.

Gesellschaftspolitische Bewegungen

Nicht nur die Kolleg*innen bei Bund und Kommunen sind in der Tarifauseinandersetzung, sondern auch im Nahverkehr und bei der Post. Auch wenn natürlich alle andere Verhandlungspartner haben, so sind doch die Tarifziele ähnlich. Es ist nötig, diese Kolleg*innen zusammen zu bringen, sowie auch Solidarität in der arbeitenden Bevölkerung insgesamt zu mobilisieren.

Eine solche solidarische Unterstützung kann abgerufen werden, denn alle wollen gut ausgestattete Krankenhäuser mit genügend Personal, viele haben Interesse an guter Kinderbetreuung und Bildung. Viele sind auch Nutznießer von Bussen, Bahnen, Ämtern, oder der Post. Es gibt enorme Möglichkeiten, die Tarifrunden in den öffentlichen Bereichen zu gesellschaftspolitischen Kämpfen für einen besser ausgestatteten und ausfinanzierten öffentlichen Dienst zu machen.

Es geht um mehr als Tarifrunden

Wir müssen davon ausgehen, dass es zu Angriffen kommt – spätestens nach den Bundestagswahlen im Herbst 2021. Das kann alles mögliche sein, es kann Angriffe auf das Streikrecht, auf die Arbeitszeiten, auf Renten und vieles mehr geben. Umso wichtiger wird die Fähigkeit der Gewerkschaften, dem etwas entgegen zu setzen – mit entschiedenen Protesten und Streikmaßnahmen.

Es muss einen Kurswechsel in den Gewerkschaften geben – weg von Sozialpartnerschaft und Zugeständnissen, hin zu konsequentem Aufbau von Gegenwehr. Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ hat sich zum Ziel gesetzt, Kolleg*innen für einen solchen kämpferischen Kurs zu vernetzen und ist dafür auch in der Branchen-übergreifenden „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) aktiv. Nehmt Kontakt mit uns auf.

Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG)

Flyer NW TVöD 2020.pdf

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