Vortrag: Mehr Demokratie in Arbeitskämpfen und Gewerkschaften

Referent:

Julian Koll, ver.di-Vertrauensmann Stadt Dortmund*, war bei den

bundesweiten Delegiertenkonferenzen des Sozial- und

Erziehungsdienstes beim einmonatigen Streik 2015 und war Mitglied der

BAKL.

(KinderpflegerInnen, SozialassistentInnen, SozialarbeiterInnen,

SozialpädagogInnen, HeilerziehungspflegerInnen sowie Beschäftigte im

handwerklichen Erziehungsdienst und in der Behindertenhilfe)

Im Sozial- und Erziehungsdienst arbeiten rund 720.000 Beschäftigte, zwei Drittel bei

freien Trägern, der größte Anteil liegt hier bei den kirchlichen Trägern, rund ein Drittel im

öffentlichen Dienst.

240000 Beschäftigte im ÖD betroffen

150000 Beschäftigte in der Spitze im Streik

97% Frauen

Kampagne „Sozial- und Erziehungsberufe: Richtung gut – Aufwerten jetzt“, mit der sie

auch im politischen Raum und in der breiten Öffentlichkeit Unterstützung gewonnen

werden sollte.

Forderung:

S-Tabelle hatten ein Volumen von durchschnittlich 10 Prozent. Die geforderten

Entgelterhöhungen variierten je nach Tätigkeit zwischen rund 6 und 19 Prozent.

Verhandlungsauftakt war am 25.02.2015 ( fünf Verhandlungsrunden)

Arbeitgeberverbände (VKA) sah im Prinzip keinen Bedarf für Einkommensverbesserungen

Angst vor einem Übersprungseffekt auf die Kranken und Altenpflege

28.04. Scheitern der Verhandlung

Urabstimmung 93,44 % der ver.di-Mitglieder für Streik

sogar 96,37 %. Bei der GEW

Ver.di und GEW riefen zum unbefristeten Streik auf8.05. Start des unbefristeten Erzwingungsstreik

Am 08.05. legten 20.000 Beschäftigte ihre Arbeit nieder. Weitere Bundesländer wurden ab

11.05. einbezogen mit einer Streikbeteiligung von rund 150.000 Beschäftigten bis zum

15.05. Am 18.05. begann die zweite unbefristete Streikwoche.

Streikdemokratie in Dortmund

In einigen Bezirken, so auch in Dortmund, gab es tägliche Streikversammlungen, auf

denen alle ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen zusammen kamen und miteinander

diskutieren konnten. Der Verhandlungsstand wurde relativ transparent dargestellt.

Vor allem spielten die ehrenamtlichen FunktionärInnen eine aktive und selbständige Rolle

bei der Planung und Durchführung von Aktionen während des Arbeitskampfes, wie

Fashmobs, Infotische, Demos, Protestaktionen.

Die Treffen der regionalen Streikleitung waren offen für KollegInnen.

In Dortmund wurden die Delegierten gewählt, in anderen Bezirken wurden sie teilweise

von oben bestimmt.

Erste Streikdeligiertenkonferenz in Fulda.

Top Stimmung

Die Delegierten für die Konferenz wurden von der BAKL gewählt.

Leitung, Erzieher,Sozialpädagoge,Personalrätin

Bundesweit

300 Delegierte mit kämpferischer und guter Stimmung

Bsirske:

„Wir werden so lange streiken, bis ein annehmbares Ergebnis erzielt ist!“

„Angebot vorliegt“ wurde rausgenommen

„Ihr entscheidet über den Ablauf des Streiks!“

„Dieser Streik wird historisch“

Auf der zweiten bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz in Fulda am

20.05.15

Fortsetzung des Streiks über Pfingsten (24./25.05.) hinaus beschlossen.Delegierte in Dortmund wieder gewählt durch die BAKL und bestätigt durch die

Streikversammlung in Dortmund ( Weiterführung des Streiks)

Begleitet von Großdemonstrationen in Hamburg und Frankfurt, Düsseldorf und Dresden

mit über zehntausenden Beteiligten

Mitgliederversammlung der VKA am 28.05.15, die Verhandlungen am 02.06. wieder

aufzunehmen, begleitet von der Unterbreitung eines Angebotes, welches nach ver.di-

Angaben jedoch nur die bereits im April gemachten Verbesserungsvorschläge enthielt.

Leichte Aufwertung mit Nachweis von 120 Fortbildungsstunden.

Die Verhandlungsrunde vom 01. bis 04.06.15 blieb ohne Ergebnis.

Zustimmung der Verhandlungskommission zu dem von der VKA geforderten

Schlichtungsverfahren. Mit Anrufung der Schlichtung galt ab dem 07.06. die

Friedenspflicht und der unbefristete Streik wurde von diesem Tag an ausgesetzt.

Dritte Streikdeligiertenkonferenz in Frankfurt.

Delegierte wurden wieder mit der Aufgabe den Streik weiterzuführen von der BAKL

gewählt und durch die KollegInnen im Streiklokal bestätigt.

Wir haben im Zug morgens auf dem Weg nach Frankfurt von der Schlichtung erfahren.

Als wir angekommen sind war die Stimmung am kochen.

Wortbruchplakat und alle Redebeiträge gegen die Schlichtung.

Bsirske argumentiert mit Schlichtungszwang und öffentlicher Meinung.

Dennoch standen laut ARD-Deutschlandtrend vom 4. Juni immer noch 69 Prozent der

Eltern hinter dem Streik ( Unterschied Stadt Land Beispiel Dortmund)

Frank Bsirske stellte die Streikdelegiertenversammlung am 4. Juni vor vollendete

Tatsachen.

Das stand jedoch im Gegensatz zur Aussage, die bei der vorhergehenden

Streikdelegiertenversammlung Ende Mai gemacht wurde.

Sie lautete: Es wird gestreikt bis zu einem annehmbaren Ergebnis. Die

Streikdelegiertenversammlung sollte über ein mögliches Ergebnis zuerst beraten, um ein

Votum an die Tarifkommission abzugeben. Die Möglichkeit der Schlichtung wurde nicht

angesprochen.

Viele Delegierte und Streikende waren enttäuscht.

Das gesamte Schlichtungsverfahren ist auch deshalb abzulehnen, weil die Kontrolle der

Streikenden über ihren Streikverlauf damit unmöglich gemacht wird.Als Schlichter fungierten der frühere Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert

Schmalstieg und der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt.

Sie legten am 23.06. einen gemeinsamen Lösungsvorschlag vor, der Gehaltserhöhungen

zwischen 2 und 4,5 % vorsah. Die VKA akzeptierte den Schlichterspruch einvernehmlich.

Ihr Vorschlag enthält nun Erhöhungen in den einzelnen Berufsgruppen von 2 bis 4,5

Prozent. Die größte Gruppe, die ErzieherInnen, würde durchschnittlich 3,3 Prozent mehr

verdienen.

Vierte Streikdelegiertenkonferenz am 24.6.15 in Frankfurt:

Die Stimmung auf der Streikdelegegiertenkonferenz war explosiv.

Das Schlichtungsergebnis wurde von Achim Meerkamp vorgestellt und er hat die

Stimmung nicht gescheckt.

Bsirske hat das gespürt und ist an das Mikro gegangen und hat die Diskussion eröffnet.

Nach Darstellung des Schlichtungsergebnisses sprachen sich zunächst alle RednerInnen

gegen die Annahme aus. Aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der 330 Anwesenden ist

diese Empfehlung nicht annähernd die Aufwertung, für die knapp vier Wochen gestreikt

wurde.

Nur 3,3 Prozent durchschnittliche Erhöhung nachdem im Durchschnitt 10 Prozent

gefordert gewesen waren, dass auch noch mit einer fünfjährigen Laufzeit verbunden. Vor

allem viele SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen, die nur 1,28 Prozent Erhöhung in

der Entgeltgruppe S12 erhalten, lehnten das Ergebnis ab.

Es wurde eine Pause einberufen, in der alle Bedenken nochmals diskutiert werden sollten.

Die Hauptamtlichen wurden zusammen gerufen und eingestellt.

Danach gab es eine Diskussion in den Landesbezirken.

Nach der Pause sprachen sich dann tatsächlich drei Bezirke für Annahme des

Schlichterspruches aus. Doch die Mehrheit war immer noch dagegen.

Eine Kollegin brachte zum Ausdruck, dass sie den Eindruck habe, dass Frank Bsirske

keine gemeinsame Streikbewegung der verschiedenen kämpfenden Bereiche wie

Amazon, Einzelhandel, Charité und so weiter wolle.

Für ihren kämpferischen Beitrag bekam sie viel Applaus aus der Versammlung.

Das Ergebnis wurde mehrheitlich von der Streikdelegiertenkonferenz abgelehnt .Anstelle einer Urabstimmung, bei der 75 Prozent der Befragten das Schlichtungsergebnis

hätten ablehnen müssen, um weiterzustreiken, setzte die Streikdelegiertenkonferenz

zudem eine Mitgliederbefragung durch deren Ergebnis erneut von ihr bewertet werden

sollte:

Bsirske wollte in die Urabstimmung eintreten, weil die Delegierten das

Schlichtungsergebnis nicht akzeptierten

Laut Verdi Satzung möglich

Ich hab laut WAT gebrüllt, wegen 75% / 25% Regel

Marlis Tepe heult rum.

Unfassbar ich bin schockiert das man nicht d Mehrheit abstimmen lassen möchte.

Kollegin aus Dortmund kam auf die Idee mit der Mitgliederbefragung und ich habe es

eingebracht.

Dann wurde am Ende auf Bsirskes Vorschlag hin eine Mitgliederbefragung beschlossen.

Vom 06.07. bis 05.08.15 wurde die Schlichtungsempfehlung in den Betrieben vorgestellt

und diskutiert.

Frage bist du bereit für die Durchsetzung unserer Forderungen in den unbefristeten Streik

zu treten.

Ver.di machte deutlich, dass nun die Wiederaufnahme der Streiks für Anfang Oktober in

veränderten Streikformen vorbereitet werden müsse.

In der Mitgliederbefragung lehnten 69,13 % der verdi-Mitglieder und 68,8% der GEW

Mitglieder den Vorschlag ab.

Lokale Versammlungen und Versammlungen auf Landesebene

Vorschläge von Ehrenamtlichen und aus den örtlichen Versammlungen heraus, wie

gemeinsame Kundgebungen mit den KollegInnen aus anderen Bereichen (wie den

zeitgleich streikenden Beschäftigten bei der Post, Bahn, im Einzelhandel, Amazon und so

weiter) wurden von führenden FunktionärInnen so gut wie immer als illusorisch abgetan.

Michael Wiese zur Diskussion um die Streikstrategie ( „Wir sind hier nicht im Stupa“)

Demo in Berlin/ Autobahnblockade

In den Diskussionen über die weitere Strategie gab es einerseits radikale Vorschläge bis

hin zu Autobahn und Straßenblockaden, für bundesweite Solidaritätskampagnen durch

ver.di und den DGB und vieles mehr. Doch von diesen Vorschlägen wurde von den

hauptamtlichen Funktionären in ihren Vorträgen nichts aufgegriffen. Stattdessen trugen

sie eher zur Verunsicherung bei, ob es möglich sei, den Streik fortzuführen, ohne die

öffentliche Meinung gegen sich aufzubringen.

Fünfte Streikdelegiertenkonferenz am 08.08.Bei all diesen positiven Ansätzen gab es jedoch auch Grenzen, die im Verlauf der

Auseinandersetzung deutlich wurden und für den Ausgang entscheidend waren. Die

Streikstrategie wurde vom Bundesvorstand und der Tarifkommission vorgegeben.

Mangelnde Strategie

Bsirske selbst verkündete nun die neue Streikstrategie als Strategie der Unplanbarkeit: Da

wo wir stark sind streiken wir wieder unbefristet, sonst ab und zu ohne Ankündigung.

Das hätte den solidarischen Schulterschluss erschwert und eine solche Strategie wäre

zum Bumerang geworden.

Daher hätte die Frage der Streikstrategie von KollegInnen aller Bereiche intensiv diskutiert

und dann gemeinsam entschieden werden müssen!

Die ver.di-Bundestarifkommission beschloss am 11.08., dass die Schlichtung gescheitert

sei, wenn die Verhandlungen keine Verbesserungen ergäben.

Sechste Streikdelegiertenkonferenz

Nach der Sommerpause kam es zur 9. Verhandlungsrunde vom 28.-30.09.

Leichte Verbesserung des Schlichterspruchs:

Umschichtung von alten Erzieherinnen und Erzieher auf jüngere Erzieherinnen mit

geringer Stufenlaufzeit sowie höhere Entgelte für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im

Allgemeinen Sozialdienst.

Viele Präsentationen und Verunsicherung. Stimmung war sehr schlecht und nicht mehr

kämpferisch.

Streikstrategie für den Arsch

Außer in den Streikhochburgen ( unsere Delegierten hatten immer alle Kolleginnen im

Rücken)

Abstimmung vorher in Bochum und Dortmund

Redebeiträge differenzierter je nach Landesbezirk.

Entsprechend konnte der Streik beendet werden, ohne dass eine substantielle

Verbesserung des Ergebnisses erreicht wurde. Die meisten KollegInnen hatten das

Vertrauen verloren, dass eine Fortführung des Arbeitskampfes erfolgversprechend wäre.

In der darauf folgenden Urabstimmung sprachen sich 57,2 % der ver.di-Mitglieder und

72,06 % der GEW-Mitglieder für die Annahme aus.

Übersicht: Erhöhung der Tarifvergütung – ausgewählte Beispiele

Schlussfolgerungen:

Wie werden die Bürokraten reagieren:

Einstampfen ist nicht möglich aber man weiß ja nie

Reduzieren von Beteiligung und klar machen wer das sagen hat

Kein Open Mic mehr

Begrenzung der Delegierten

Pochen auf die Verdi Satzung BTK

Verhandlungskommission erweitern ( z.B. 30 Ehrenamtliche reinnehmen))

Wichtig für uns:

massiver Beifall für kämpferische Redebeiträge

Offenes Mikrofon ist sehr gut

Im richtigen Moment laut sein

Gewerkschaftslinke organisieren und eine Opposition aufbauen

Hätte man eine Gruppe von einigen KollegInnen gehabt, die sich gemeinsam absprechen

und vorbereiten, so wäre es möglich gewesen, auf der Streikdelegiertenkonferenz

alternative Strategievorschläge zu unterbreiten und KollegInnen dafür zu gewinnen.

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