Positionspapier vom 21.12.2024 von Tobi Roswog, Thorsten Donnermeier und Lars Hirsekorn
„Keine Werksschließung, keine Massenentlassungen und keine Kürzung der monatlichen Entgelte.“ So die Erfolgsmeldung mit dem zauberhaften Namen „Weihnachtswunder“. Was steckt dahinter und was bedeutet dieser Abschluss für uns und unsere Zukunft? Bonuszahlung, tarifliche Entgelterhöhung und Urlaubsgeld werden für Jahre nicht gezahlt bzw. reduziert. VW forderte 10% Lohnverzicht. Nun sind wir durch die Hintertür bei 10 bis 15% gelandet. Müssen wir das hinnehmen?
Ein Teil der Belegschaft bekommt die Arbeitszeiten um eine Stunde mit einem geringen Ausgleich verlängert. Arbeitszeitverlängerung in Zeiten, wo Arbeit wegbricht ist Paradox. Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze. Das war noch nie so und wird auch dieses Mal nicht so sein. Das wird trotz Beschäftigungssicherung bis 2030 hier der Öffentlichkeit vorgeführt. 35.000 Stellen sollen bis 2030 sozialverträglich abgebaut werden. Das sind nicht drei geschlossene Werke, sondern fast viermal das Werk in Zwickau. Für dieses Arbeitsplatzmassaker will man sich nur fünf Jahre Zeit lassen. Knapp 120.000 Beschäftigte hat Volkswagen in Deutschland. Wenn bis 2035 nochmal 35.000 Stellen abgebaut werden, kann sich jeder selbst ausrechnen was von VW übrig bleibt. Dann übrigens ohne Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen.
Wer nicht in Auszubildene investiert, hat keine Zukunft. Letztes Jahr gab es 1.150 mögliche Plätze. VW wollte auf 420 reduzieren und die IG Metall feiert ihr Ergebnis, weil sie 650 Auszubildenenplätze durchsetzen konnte. Sicher ist, dass sich das in den Regionen wie in Detroit oder der ehemaligen DDR nach Deindustriealisierungswellen auswirkt. Die Folgen sind dramatisch. Somit sind nicht nur die VW-Beschäftigten betroffen, sondern wir alle! In ganz Deutschland steht die Automobil- und Zulieferindustrie unter Druck und man wird sich VW als Beispiel nehmen, um Stellen abzubauen und dem Rest der Belegschaft in die Taschen zu greifen, um die Gier der Kapitalisten zu stillen. Wenn die IG Metall bei VW mit einem Organisierungsgrad von über 90 Prozent nicht schafft, kämpferisch aufzutreten, was ist das für ein Zeichen? Für diese Zukunftsprognose zahlen wir alle einen hohen Preis.
Wäre mehr drin gewesen?
Die Erwartungen, dass die IG Metall Führung einen Kampf, um flächendeckende Arbeitszeitverkürzung führt, sind von Anfang an sehr gering gewesen. Die Wettbewerbsfähigkeit vom Standort Deutschland als unverrückbares Narrativ im Auge. Der Standort Deutschland ist Bestandteil gewesen einer Rede von C. Benner beim letzten Warnstreik in Wolfsburg nach dem Motto: „Wer den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger machen will, muss billiger sein als die anderen im Ausland“. Dieses widerspricht der Möglichkeit internationaler Solidarität und den gemeinsamen Kampf international gegen die weltweiten Angriffe auf die Automobilbeschäftigen. VW kennt keine Nationen und drohte mit Golfverlagerung nach Mexiko, die bittere Realität wurde. Das Werk in Brüssel wird geschlossen und hier wurde in der Arbeitskampfphase noch nicht einmal ein Wort darüber verloren.
Wer in dieser Auseinandersetzung die nationalistische Standortkarte zieht, hat verloren. Internationale Solidarität muss zu unserer Aufgabe werden, da können wir uns in Zukunft nur auf uns selbst verlassen. Globale Kämpfe der Arbeiterbewegung sind durch den Kampf um den 8 Stunden Arbeitstag und den 1 Mai in unserer Erinnerung lebendig geblieben. Solidarität ist keine Barmherzigkeit, sondern nutzt letztendlich jeder Einzelnen. Wenn wir in Zukunft wieder alle gemeinsam kämpfen, dann sind wir erfolgreich.
Müssen wir das hinnehmen?
Wir sind nicht alleine! Wissenschaftler*innen, Klimagerechtigkeitsbewegung, KollegInnen aus anderen Betrieben und VW Beschäftigte vertreten:
– Erhalt aller Arbeitsplätze durch Arbeitszeitverkürzung;
– Umbau der Produktion für den ÖPNV.
Dieses würde andere Eigentumsformen benötigen. Eigentumsformen so wie sie unter § 2 der IGM Satzung beschrieben steht. Vergesellschaftung wurde nach dem zweiten Weltkrieg, als Lehre daraus, als Eigentumsform in das Grundgesetz und der der IG-Metall Satzung festgehalten, um Not und Elend durch Eigentum zu verhindern. Weder Staat noch IGM-Führung würden Vergesellschaftung als Möglichkeit nur ansatzweise diskutieren. Sozialpartnerschaft, obwohl wir alle erleben, dass die jetzigen Eigentümer soziale Sicherheit und zukunftsfähige Produktion nicht organisieren können und Not und Elend verbreiten. Vergesellschaftung als Gegenwartsaufgabe. Wir wollen in Zukunft selbst und gemeinsam entscheiden, was und unter welchen Bedingungen produziert wird. Das sollte nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht sein.
Die IG Metall hat gekämpft bei VW gegen Massenentlassungen, Werksschließungen und den Erhalt der Monatsentgelte (nicht gemeint waren Bonuszahlungen, Urlaubsgeld usw., trotz steigender Ausgaben). Diese Ziele hat die IG Metall erreicht. Aber defakto einen realen Lohnverzicht hingenommen. Eine gute Zukunft für uns alle und damit keine Deindustrialisierung so wie in Detroit ist nicht ihr Ziel. Ziel ist es den Übergang dort hin sozialverträglich und vor allem friedlich zu gestalten, so wie die Beispiele Ford Saarlouis und VW verdeutlichen. Durch Altersteilzeitabgänge und keine Stellenneubesetzungen werden bei VW in nur 5 Jahren 35.000 Arbeitsplätze abgebaut mit schlimmen Folgen.
Unser Kampf geht weiter und darüber hinaus. Wir nehmen den Angriff vom Kapital auf uns alle nicht hin. Wir nehmen jetzt die Dinge selbst in die Hand.
Das Positionspapier als PDF-File zum Ausdrucken:
https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2024/12/VW-Weihnachtwunder2024.pdf