Seit Beginn der zweiten Welle der Corona-Pandemie melden Presse und Rundfunk fast Tag für Tag: es fehlt an Pflegekräften und an Fachkräften für die Intensivpflege, um die mit Corona infizierten PatientInnen ausreichend versorgen zu können. Nach Aussage von Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) fehlen 3500 bis 4000 Fachkräfte in der Intensivpflege (SZ vom 19.11.20).
Gleichzeitig haben sich aktuell nach RKI-Angaben vom 23.11.20 ca. 2.800 KollegInnen in den Krankenhäusern mit Corona angesteckt.
Die Anzahl der infizierten Menschen bleibt trotz aller Kontakteinschränkungen durch die Regierung auf hohem Niveau, nicht nur Ärzte fürchten, dass die Intensivbetten nicht mehr ausreichen könnten.
Die KollegInnen und Ärzte arbeiten mittlerweile am Limit, die Belastung steigt.
Wie reagiert die Politik auf diese Situation?
Niedersachsen führte im November mit einer Allgemeinverfügung zum zweiten Mal den 12-Stunden Arbeitstag ein. Nachdem diese Aushebelung des Arbeitszeitgesetzes im Juni nach der ersten Welle im Juni bundesweit auslief. Viele Ärzte warnen davor, dass die Belastung aus der ersten Welle noch nicht überwunden ist und diese zweite Belastung zu größeren Ausfällen führen kann wie in der ersten Phase im Frühjahr. Zum anderen verweist der Arzt Eckhardt Nagel, Präsident des Chinesisch-Deutschen Freundschaftskrankenhauses auf die Erfahrungen aus Wuhan – wo alles anfing -, dass lange Arbeitsschichten zu höheren Sterberaten unter den PatientInnen und einer erhöhten Ansteckungsgefahr unter den Beschäftigten führt (zit. nach www.ver.di: Sie fahren auf Verschleiß von Daniel Behruzi).
Gesundheitsminister Jens Spahn forderte Anfang November auf dem Deutschen Pflegetag, dass auch infizierte ÄrztInnen und Pflegekräfte ohne Symptome notfalls weiterarbeiten sollen, zwar mit besonderen Schutzmaßnahmen, aber so Spahn ganz lapidar, wenn „die Versorgung zusammenbricht, muss man schauen, was ist neben der bestmöglichen Lösung die zweitbeste” (SZ vom 12.11.20).
Wie sieht die Realität aus?
Tatsächlich ist es so, dass in mehreren Kliniken infiziertes Personal ohne Symptome angewiesen wird und wurde weiterzuarbeiten – vor allem auch in privatisierten Kliniken (z.B. im Helioskonzern), um den Personalnotstand „aufzufangen“. In NRW wurden laut Landesgesundheitsministerium zwischen April und Oktober über 3.500 Krankenhausbeschäftigte aus der Quarantäne zurückgerufen – in einer Phase mit relativ niedriger Infektionszahl. Eine bundesweite Erhebung dazu gibt es jedoch nicht (zit. Nach www.ver.di: Sie fahren auf Verschleiß von Daniel Behruzi)
Genauso melden Ärzteorganisationen, dass immer noch nicht alle Krankenhäuser auf medizinisch nicht notwendige Operationen verzichten wollen, um benötigtes Personal für die Versorgung der Corona-PatientInnen zur Verfügung zu stellen. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Profit für die Gesundheitskonzerne geht vor Gesundheit und guten Arbeitsbedingungen.
Was ist notwendig?
- Sofortige Umsetzung aller bereits durchgesetzten Regelungen zur Personalaufstockung, kontrolliert durch Ausschüsse von Beschäftigten, ihren Gewerkschaften und PatientInnenorganisationen!
- Sofortige Umsetzung der von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat eingeforderten neuen Personalbemessung PPR 2
- Für einen organisierten Plan zur Mobilisierung aller Kräfte, die für die medizinische Betreuung und Pflege der Kranken und Schwerkranken einsetzbar sind und Beauftragung dieser entsprechend ihrer Qualifikation – kontrolliert durch Betriebsräte, Ausschüsse von Beschäftigten aus den Krankenhäusern, PatientInnenorganisationen und von der Regierung unabhängigen medizinischen ExpertInnen – solange der Mangel an ausreichendem Personal nicht überwunden ist.
- Eine Ausbildungsoffensive durch bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen
- Radikale Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich – vor allem in den Intensivbereichen: Reduzierung der Arbeitszeit auf 6-Stunden-Schichten!
- Sofortige Rücknahme der Änderungen des Arbeitszeitgesetzes in Niedersachsen! Keine weiteren Änderungen des Arbeitszeitgesetzes in Bund und Ländern
- Einstellung von ausreichend und gut bezahlten und geschulten Reinigungskräften! Entsprechende Qualifizierung von vorhandenem Reinigungspersonal, das mit tariflicher Bezahlung bei den medizinischen Einrichtungen eingestellt wird und nicht bei Putzfirmen! Sofortige Rücknahme der Auslagerung von Reinigungskräften in Fremdfirmen!
Diese Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, dass die Ausrichtung eines Gesundheitssystems auf die Behandlung von lukrativen Fällen, die möglichst viel Geld mit möglichst wenig Personal bringen sollen, die Ursache für die ganze Misere ist.
Deshalb fordern KollegInnen aus Gesundheitseinrichtungen und verschiedene Bündnisse, dass ver.di eine Aktivenkonferenz organisieren muss. Auf dieser soll darüber diskutiert und entschieden werden, wie eine breit angelegte, bundesweite Kampagne aussehen kann, um ein Gesundheitssystem zu erkämpfen, das eine gute Versorgung der PatientInnen unter guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten garantiert.
- Dafür muss Schluss gemacht werden mit der Privatisierungspolitik im Gesundheitsbereich
- Privatisierte Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitsbereich müssen rekommunalisiert werden unter Kontrolle der Beschäftigten und PatientInnen und ihrer Organisationen – das sind die ExpertInnen, die wissen, wie ein Gesundheitssystem im Sinne der Versorgung aller PatientInnen unter guten Arbeitsbedingungen für alle Krankenhausbeschäftigten umorganisiert werden kann.
- Weg mit den Fallpauschalen, die die Privatisierung erst ermöglicht haben und Refinanzierung der anfallenden Behandlungskosten.
Wieder was mehr gelernt! Ein toller Artikel den du veröffentlicht hast.
Es ist garnicht leicht über das Thema im WWW was zu recherchieren.