Angriffe auf das Streikrecht zurückweisen

Bereits letzten Sommer hat der damalige Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger anlässlich der Streiks der Hafenarbeiter das Streikrecht angegriffen und einen „nationalen Notstand“ wegen der Energiekrise gefordert.

Mitte Februar forderte das Präsidium der Mittelstandsunion von CDU/CSU (Mit) angesichts der Bestreikung deutscher Flughäfen, Arbeitsniederlegungen im Bereich der kritischen Infrastruktur einzuschränken. Demnach dürfe das Streikrecht nicht missbraucht werden, um in »frühem Stadium von Tarifverhandlungen unverhältnismäßigen Druck auszuüben und durch die Einbeziehung kritischer Infrastrukturen schweren Schaden anzurichten«. Die Mit fordert laut dem Beschluss, dass Streiks bei Einrichtungen des Flug-, Bahn- und Schiffsverkehrs sowie der Rettungsdienste und Energie- und Wasserversorgung nur noch nach einem »verbindlich abgeschlossenen Schlichtungsverfahren« möglich sind. Die Arbeitsniederlegungen müssten »mindestens vier Tage vorher angekündigt« werden. Zudem müsse eine »Grundversorgung« aufrechterhalten werden. 

Anfang März nannte der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter gemeinsame Streikaktionen von Verdi und der Klimaschutzorganisation Fridays for Future (FFF) anlässlich des globalen Klimastreiktag eine „gefährliche Grenzüberschreitung“. Und der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke meinte, dass es „eine gefährliche Vermischung des Arbeitskampfes mit allgemeinpolitischen Forderungen“ sei.

Drei Beispiele, die zeigen, sobald in Deutschland gestreikt wird, insbesondere wenn es um Streiks in der Daseinsvorsorge und der Verkehrsinfrastruktur geht, nehmen auch die Angriffe auf das Streikrecht massiv zu. Das hat Gründe.

Der Streik drückt den antagonistischen Widerspruch zwischen Arbeiter*innenklasse und Bourgeoisie aus und widerlegt das Märchen von Sozialpartnerschaft und Klassenharmonie im Kapitalismus. Obwohl er als universales Menschenrecht durch UN-Menschenrechtscharta wie auch europäischer Charta der Grundrechte geschützt ist, ist seine Existenz bedroht. Überall dort, wo Ausbeutung verschärft, Profite maximiert oder die Arbeiter*innenklasse niedergedrückt werden sollen, soll das Streikrecht beschnitten oder abgeschafft werden. Aktuell soll das Streikrecht in Britannien noch weiter beschnitten werden, in Frankreich, im Rahmen des Kampfes gegen die „Rentenreform“ von Macron wird von seiner Regierung ebenfalls überlegt, das Streikrecht zu „überarbeiten“, in Polen ist das Streikrecht faktisch inexistent, in der Ukraine wurde es suspendiert, in Italien ist es ebenfalls umkämpft. Die Begleitmusik ist stets identisch: die Wahl zwischen Kanonen oder Butter, nationaler Notstand droht, Kunden in Geiselhaft, Minimalversorgung, Angemessenheit ist zwingend oder der Aufschwung gefährdet.

Auch in der BRD gilt das Streikrecht nur eingeschränkt: Beamte und Soldaten dürfen nicht streiken, im Notstandsfall wird es suspendiert, nur nach Auslaufen der Friedenspflicht ist es unter gewerkschaftlicher Führung statthaft, wilde Streiks wie jüngst in Berlin durch den Lieferdienst Gorillas werden mal eben „untersagt“. Streiks außerhalb von Tarifrunden, in denen es nicht nur um ökonomische Forderungen geht, also die sogenannten „politischen“ Streiks, wurden und werden mit massiven Regressforderungen bedroht oder gleich belegt. Dies obwohl es nicht mal ein Gesetz gibt, das den politische Streik formal verbietet. D.h. die Wahrnehmung dieses Menschenrechtes (auch auf politische Streiks) wird in Deutschland seit Jahrzehnten regelrecht kriminalisiert! Vor wenigen Jahren wurde dieses sehr schwach entwickelte Streikrecht in Deutschland durch die Einführung des sogenannten „Tarifeinheitsgesetz“ nochmals stark geschmälert. (Leider mit großer Unterstützung fast aller DGB-Gewerkschaften!) Die DGB Gewerkschaften wagen es nicht – oder wollen es auch nicht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, diese menschenrechtswidrige Praxis des deutschen Staates mit der Durchführung von politischen Streiks herauszufordern.

Letztendlich geht es beim Streikrecht um eine gesellschaftliche Machtfrage. Es geht darum, ob wir als Beschäftigte es schaffen, unsere demokratischen Rechte auszuweiten, uns unsere Rechte selbst zu nehmen und entsprechenden politischen Druck zu erzeugen. Das Streikrecht ist im Kapitalismus nur durch seine Anwendung durchzusetzen, nicht durch Verzicht.

Flyer zum Herunterladen:

https://vernetzung.org/wp-content/uploads/2023/03/VKG-zu-Angriffe-auf-Streikrecht.pdf

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