Auf den Weg gemacht

Erste Strategiekonferenz der »Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften«. Forderung nach mehr Lohn und mehr Freizeit schließen sich nicht aus

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitung „Junge Welt“ am 28.01.2020 (https://www.jungewelt.de/artikel/371484.kritik-an-ig-metall-und-verdi-auf-den-weg-gemacht.html?)

Von Steve Hollasky

Mehr als 150 Gewerkschafter aus dem gesamten Bundesgebiet diskutierten am vergangenen Wochenende die Politik des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Organisiert hatte die Konferenz die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG). Aufgerufen hatten verschiedene Gruppen, u. a. die Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF), Organisieren, Kämpfen, Gewinnen (OKG) und das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische Verdi. In acht Arbeitsgruppen und bei weiteren Branchentreffen tauschten die Teilnehmenden Erfahrungen aus und vereinbarten konkrete Vorhaben. Dabei diskutierten sie, wie man Kämpfe politisch führen, Prekarisierung bekämpfen und mit der Klimaschutzbewegung gemeinsam agieren könne, sowie den Umgang mit Rassisten im Betrieb. Zudem war Demokratie im Arbeitskampf ein Thema der Debatten.

»Die rege Teilnahme« wertete Angela Bankert, eine der Sprecherinnen von VKG, am Sonntag gegenüber junge Welt als Beweis dafür, dass ein Bedürfnis bestehe, »die Politik der Gewerkschaften grundlegend zu diskutieren«. Gleich zu Beginn der Tagung erklärte Angelika Teweleit, ebenfalls eine der Sprecherinnen des Koordinierungskreises, den Anwesenden, man habe es mit erheblichen Angriffen von seiten der Geschäftsführungen zu tun, und nannte das Beispiel Ameos in Sachsen-Anhalt. Der Krankenhausbetreiber hatte bereits im Vorfeld als Reaktion auf den am gestrigen Montag begonnenen Erzwingungsstreik zur Durchsetzung von Lohnerhöhungen damit gedroht, 800 Beschäftigte zu entlassen (jW berichtete).

Dem könne nur mit einem »kämpferischen Kurs« auf seiten der Gewerkschaften begegnet werden. Dazu gehöre auch, der Absicht der IG-Metall-Führung entgegenzutreten, die vorhat, in der anstehenden Tarifrunde auf Lohnforderungen zu verzichten. Erst vor wenigen Tagen hatte der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, erklärt, seine Gewerkschaft wolle bei den Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie mit der Kapitalseite ein »Zukunftspaket« verhandeln, das dazu dienen solle, Jobs und Standorte zu erhalten. Hierzu wolle man auf Lohnforderungen verzichten. Dazu will die IG Metall noch vor Ablauf der Friedenspflicht in Verhandlungen mit den Unternehmen treten. »Ohne Kampfmaßnahmen, noch in der Friedenspflicht einen Abschluss erzielen zu wollen« würde bedeuten, nichts Substantielles durchzusetzen, kommentierte Christa Hourani, dritte Sprecherin der VKG, gegenüber jW die Strategie der Gewerkschaft.

Kritik übten die Konferenzteilnehmenden auch an der Verdi-Führung. Diese hatte im Vorfeld der anstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst ihre Mitglieder befragt, ob in den Verhandlungen eher eine Anhebung der Entgelte oder eine Absenkung der Arbeitszeit gefordert werden solle. »Allein das ist schon eine Spaltung der Belegschaften«, monierte Teweleit am Sonntag im Gespräch mit jW. Viele Kolleginnen und Kollegen seien inzwischen derart überlastet, dass sie zwar für eine Absenkung der Arbeitszeiten seien. Lohnverzicht könne sich aber auch niemand leisten. Demgegenüber wollen die Teilnehmenden die Forderung nach Verringerung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich in die Forderungsdiskussion einbringen und klarmachen, dass dies nur der erste Schritt auf dem Weg zur 30-Stunden-Woche sein könne.

Die Abschlusserklärung der Konferenz hielt fest, dass die Unterordnung unter »kapitalistische Sachzwänge«, die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmern und das Komanagement durch die Gewerkschaftsführungen eine Ende haben müssten. Zudem wurden Solidaritätserklärungen mit den Beschäftigten von Ameos und den kämpfenden Kolleginnen und Kollegen in Frankreich, die sich dort gegen die unsozialen Rentenpläne von Präsident Emmanuel Macron wehren, verabschiedet.

VKG-Sprecherin Bankert betonte am Wochenende, man habe sich »auf den Weg gemacht«, um für einen Strategiewechsel in den Gewerkschaften zu kämpfen, und hob dabei besonders die geplante Zusammenarbeit mit der Klimabewegung hervor.

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