Erster Mai: Für eine kämpferische Bewegung!

Inzwischen ist auch so manchen Vorstandsleuten in den DGB-Gewerkschaften bewusst geworden, dass während der Corona-Krise die Angriffe des Kapitals sich verstärken und die Wirtschaftskrise sich erst noch richtig entfalten wird.

Zum 1. Mai wurde seitens des DGB-Vorstandes zwar alles abgesagt, aber in weit über 50 Städten versammelten sich Kolleginnen und Kollegen und linke AktivistInnen, die sich für soziale Forderungen und bessere Arbeitsbedingungen, gegen Pflegenotstand und Umweltkatastrophe sowie gegen die Misshandlungen in den Lagern und die Morde an Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen einsetzen.

Als VKG hatten auch wir zu Kundgebungen und Demos mit aufgerufen. Es ist kein Wunder, dass Leute, die kämpferische Gewerkschaften wollen, den 1. Mai nicht zu Hause vor dem Bildschirmverbringen wollen.

Besonders hervorzuheben sind die Kundgebungen am Alex in Berlin, in München, Stuttgart und Wiesbaden. Sie kamen vor allem auf (Mit)-Initiative der VKGlerInnen in Berlin, der Münchner Gewerkschaftslinken, dem Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften und dem Wiesbadener Forum zustande.

Auch darüber hinaus brachten viele Kolleginnen und Kollegen Positionen und Initiativen, für die wir stehen, in den lokalen Veranstaltungen ein. Sie setzten zugleich auch ein deutliches Zeichen, dass wir Demonstrationsverbote oder andere Angriffe auf die demokratischen Rechte nicht akzeptieren!

Es gilt, aus diesem verheißungsvollen Auftakt trotz der derzeitigen Einschränkungen das Netz enger zu knüpfen, mehr MitstreiterInnen zu gewinnen und eine kämpferische Bewegung aufzubauen.

An Themen wird es nicht fehlen.

Die skandalösen Zustände in den Schlachthöfen, wo Überausbeutung, übelste Wohnbedingungen und Rassismus seitens des Kapitals Hand in Hand gehen, sind eigentlich lange bekannt. Das Virus hat an die Öffentlichkeit gebracht, was die Verantwortlichen in den Gewerkschaften seit langem wussten und außer einigen tapferen NGGlerInnen ebenso lange tolerierte. (siehe hierzu auch https://www.die-linke-bw.de/nc/presse/presse/presse/news/infektionsherd-fleischindustrie-corona-und-das-ausbeutungssystem-leiharbeit/)

Die andere Seite der Medaille sind die Milliarden-Forderungen z.B. der Autoindustrie und der Luftfahrt, wo es um Arbeitsplätze, Luftverpestung, Exportüberschüsse und Aufsichtsratstantiemen geht. Untätig sind die Spitzen aus Gewerkschaft und Gesamtbetriebsräten hier keineswegs, stellen sich aber völlig unkritisch auf die Seite des Großkapitals im Namen der Arbeitsplätze, die in diesen Unternehmen trotzdem ständig gekürzt werden. Aber diese Rolle als treue Erfüllungsgehilfen des Kapitals werden sie so nicht mehr spielen können.

Insgesamt halten die Gewerkschaftsführungen zur Zeit weiterhin an der Sozialpartnerschaft fest, während die Bosse versuchen, die Pandemie für Angriffe zu nutzen und die Kosten der Krise auf den  Rücken der Beschäftigten abzuwälzen. Eine kämpferische Ausrichtung wird immer nötiger. Beteiligt euch an unserer Vernetzung, um in die Lage zu kommen, aktive Gegenwehr zu leisten.

Wir wollen die sein, die den Widerstand artikulieren und die Proteste zusammenführen!

Berichte aus verschiedenen Städten findet ihr hier:

1.Mai in Stuttgart – vielfältige kämpferische Aktionen

Über 500 Aktive kamen zur Kundgebung in Stuttgart auf den Marktplatz. Die Kundgebung wurde von einem Bündnis aus 16 Organisationen veranstaltet, um trotz Corona Pandemie auch auf der Straße präsent zu sein. Auch das Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften war mit dabei. Themenschwerpunkte der Kundgebungsreden waren die massiven Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten, die Situation im kaputtgesparten Gesundheitswesen und die Abwälzung der Krisenlasten auf dem Rücken der Beschäftigten. Es sprachen eine Beschäftige des Klinikums Stuttgart, der VK-Leiter von Daimler Untertürkheim Miguel Revilla und Alex von der Informationsstelle Militarisierung. Einen Soli-Gruß an die streikenden KollegInnen von Voith Sonthofen überbrachte Christa Hourani vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften.

Schon im Vorfeld der Kundgebung hatten 3 Aktionen stattgefunden. Am Bauzaun der S21-Baustelle gab es eine Soli-Aktion von ca. 100 Teilnehmern für die türkischen Bauarbeiter, die unter Sklavenbedingungen von 7 Euro die Stunde, 12 Stundentage, 7-Tagewoche im Dreck ohne Schutzmasken und entsprechende Abstände arbeiten müssen und in Container-Massenunterkünften zusammen mit Corona-Infizierten Kollegen untergebracht sind. Gefordert wurden eine dauerhaft anständige Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen sowie ein Baustopp bei S21.

Im Anschluss gab es eine Aktion vor dem größten Stuttgarter Krankenhaus, organisiert von verdi und dem Bündnis „Mehr Personal für unsere Krankenhäuser“, an der sich über 150 Menschen beteiligten, um ihre Solidarität mit den Krankenhausbeschäftigten zu zeigen und bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen einzufordern.

Auf dem Weg zur Kundgebung verschönerte das Aktionsbündnis 8. März die Stadt mit Schildern und behängten Wäscheleinen, auf denen die Situation der Frauen angeprangert wurde und Forderungen der Frauenbewegung standen.

Im Anschluss an die Kundgebung beteiligten sich noch einige hundert Menschen an der Revolutionären 1.Mai-Demo.

Trotz aller Schwierigkeiten und Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie und der sehr kurzen Mobilisierungszeit ist es gelungen, eine gute Aktion gegen die kapitalistische Krisenpolitik auf die Beine zu stellen. Hunderte Menschen haben den “stay-at-home-Modus” verlassen und waren den ganzen Tag über auf den Straßen aktiv. In verschieden Stadtteilen wurden zusätzlich Aktionen durchgeführt. Der Tag wurde genutzt um unsere Anliegen, Forderungen und Perspektiven zusammenbringen. Es wurde deutlich gemacht, dass wir eine solidarische Alternative zum Kapitalismus brauchen.

Berlin

Nachdem wir als Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) bereits im Vorfeld mit unserer Kundgebung eine gewisse Medienresonanz bekamen (zumindest in Neues Deutschland und junge Welt), haben diese auch am Tag selbst berichtet. Wir waren jedoch nur eine von bis zu dreißig dezentralen Aktionen in der Stadt.

Dennoch ist es uns gelungen, klar zu machen, dass es vor allem Gewerkschafter*innen sind, die bei unserer Kundgebung sprechen. So hatten wir nicht nur Aktive von der VKG (René Arnsburg, Angelika Teweleit, bei in ver.di), sondern auch zwei Kolleginnen aus dem Gesundheitswesen (Silvia Habekost, PR und Krankenpflegerin am Vivantes Klinikum und Marie Schulpig, MFA, beide im Bezirksfachbereichsvorstand 3 ver.di Berlin) sowie Kolleg*innen von DIDF, aus der GEW und weitere Redner*innen. Die Hauptaussagen der Reden drehten sich um die Frage der Arbeitszeitverkürzung, statt Verlängerung, die bedarfsgerechte Personalausstattung und höhere Entlohnung im Gesundheitswesen, die Abkehr von Profitorientierung in der Daseinsfürsorge bis hin zur Verstaatlichung der Produktion notwendiger Güter und demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten. Bei allen Beiträgen wurde deutlich, dass es darum geht, in, mit und durch die Gewerkschaften eine Perspektive zu geben, wie wir dafür kämpfen können, dass die Kosten der Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten abgewälzt werden.

Trotzdem in Berlin unter dem rot-rot-grünen Senat bundesweit die härtesten Einschränkungen galten und nur bis zu 20 Personen an der Kundgebung teilnehmen durften, waren zum Höhepunkt mehr als 50 anwesend. Dass es nicht noch mehr waren, lag daran, dass bereits im Vorfeld deutlich kommuniziert wurde, dass die einzelnen Bereiche nicht mehr als Abordnungen von einigen Personen schicken können. Dennoch gab es zu Beginn der Kundgebung eine spürbare Nervosität unter den bayerischen Einsatzkräften und es mussten immer wieder Personen auf dem Alexanderplatz verteilt werden, damit die Kundgebung nicht mehr als 20 Teilnehmende hat. Im Laufe der eineinhalbstündigen Kundgebung mit kämpferischen Reden und Musik entspannte sich die Situation jedoch, wodurch mehr Leute um die Kundgebung herum stehen konnten, als offiziell erlaubt war. Dass die Kundgebung jedoch erst stattfinden konnte, war dem Druck zu verdanken, der unter anderem durch ein Eilverfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht ausgeübt wurde.“

München

In München nahmen zwischen 500-600 (!!) Kolleg*innen und Kollegen an den Aktionen teil. Angemeldet waren 200, erlaubt 50!

Ein kurzer Auftakt mit Begrüßung und organisatorischen Ansagen, ohne Reden. Dann gleich (tatsächlich) eine Demo, die bis zum Sendlinger Torplatz gehen und dort beendet werden sollte. (der Abstand von dort bis zum Marienplatz sind vielleicht 600 bis 700 Meter).

Ab da sollte laut Bescheid des Kreis-Verwaltungs-Referates (KVR) die Demo sich auflösen, und die Menschen zu Fuß in 20er Gruppen zum Marienplatz gehen und dort die Abschlußkundgebung mitmachen.

Real lief es denn so ab:

Die Polizei und deren Einsatzleiter war schon vor dem DGB Haus recht konziliant. Die Anfang der 70er Jahren vom damaligen Polizei-Präsidenten Manfred Schreiber, nach den sogenannten „Schwabinger Krawalle“ 1966 eingeführte sog. „Münchner Linie“ wurde mal wieder angewandt. Freundliche Gespräche, gegenseitige Rücksichtnahme z.B. in dem wir zusicherten, wenn die Demo größer werden würde als die 50 bewilligten, wir während der Demo die 3 verordneten Ordner*innen auf mehr Ordner-Innen „aufstocken“ würden.  

Trotzdem mussten bestimmte und recht unsinnige Auflagen des KVRs eingehalten werden. Andere, in Aussicht gestellte Auflagen waren aber nicht im Bescheid enthalten (z.B. keine Maskenpflicht!) Aber in zweier Reihen gehen mit 1 1/2 bis 2 MeterAbstand halten. Bei der Kundgebung auf mit Kreide-Kreuze markierten Punkten stehen wurde zum Beispiel auch verordnet.

Diese Punkte waren für uns kein Problem, es gab auch kein Problem, dies bei den Teilnehmer*innen „durchzusetzen“. Mit dem Versprechen, während der Demo regelmäßig mit Megaphone zum Einhalten des Abstands-Gebotes aufzurufen, konnten wir die Polizei später auch davon überzeugen, uns ab Sendlinger Tor einfach als Demo zum Marienplatz ohne weiteren Aufenthalt und ursprüngliches vorgesehenes Beenden der Demo, gehen zu lassen. Das geschah denn auch. Es gab keine Rangeleien oder andere Provokationen der Polizei.

Was nervig war; wir durften die kurzen Beiträge auf dem Marienplatz nicht mit einer elektronischen Anlage oder Megaphon verstärken, sondern mussten auf klassische, blechernen „Flüstertüten“ aus dem Konvolut des „Anachronistischen Zuges“ des „Arbeiterbundes f. Wiederaufbau der KPD“ zurückgreifen. Wir durften auch kein politisches Material vertreiben, sondern nur „auflegen“, was aber niemand gemacht hat, weil wir mehr oder weniger gleich mit der Demo losgegangen sind.

Für Ordnungsrufe der Demoleitung durften und sollten Megaphone benutzt werden.

So konnten die 7 oder 8 kurzen Beiträge zwischen 3 bis 5 Min. nur von einem Teil der Teilnehmer*innen gehört werden, weil wir wegen des Abstandgebotes auf dem Marienplatz nicht enger zusammenrücken konnten.

Die, die Beiträge hören konnten, waren aber voll zufrieden, ja zum Teil begeistert.

Die Stimmung auf der Demo und Kundgebung war gut, alle waren freudig überrascht, dass es gelungen war, so viele Menschen zu mobilisieren. Zum Vergleich: an normalen ersten Mai’s in München in den letzten Jahren nahmen zwischen 2 und 4 Tausend Menschen teil.

 Natürlich waren wir alle auch ein wenig stolz, es dem DGB mal ein wenig gezeigt zu haben!

Es gab einen zugelassenen Lautsprecherwagen, wo am Anfang Musik abgespielt werden durfte (lauter alte Arbeiter*innenlieder), die zum Teil begeistert mitgesungen wurden. Dann war der Wagen auf der Abschlusskundgebung nur noch als Bühne für die Reden mit der blechernen Flüstertüte zugelassen und für organisatorische Ankündigungen mit der Lautsprecheranlage.

Die Reden waren im Großen und Ganzen sehr korrekte und gute Beiträge, die sehr kritisch gegenüber die DGB-Führung waren.

Ein Kollege der Münchner Gewerkschaftslinken (MGL) sprach als Vorletzter im Namen der MGL / VKG und stellte „beide“ Gruppen kurz vor und hielt eine kurze und prägnante Rede. Unter Anderem stellte er klar, dass nicht die s.g. Rev. Front“, eine Vorfeldstruktur des Arbeiter*innenbundes (AB) der Initiator für die 1. Mai Aktion in München gewesen sei (wie der Arbeiterbund in seinem Beitrag etwas selbstherrlich verkündete), sondern die MGL / VKG gleichzeitig dafür eine Initiative gestartet hatte. Beide Initiativen haben sich dann schnell „zusammengetan“ – trotz der Selbstherrlichkeit des AB.

Ein Interview war auf Bayern 5 Aktuell zu hören. Auf jeden Fall haben wir den Namen der MGL und VKG soweit es uns möglich war, denke ich, Ehre gemacht. Sowohl mit unserer engen Mitarbeit, dass die Demo überhaupt zustande kam, als auch mit unserem Auftreten und Redebeitrag auf der Demo bzw. Kundgebung selbst zum bekannter werden der MGL und zum bekannt werden der VKG beigetragen. 

Es war also eine recht bunte Mischung und insgesamt eine gelungene Geschichte.

In der Tat, auch in München waren, auf dem Marienplatz, einige regelrecht über das übliche hinaus, dankbare Stimmen zu hören, im Sinne von: Toll dass ihr das „trotz der Absage des DGBs“ versucht und dann gemacht habt.“ Oder: „Der DGB steht, nach dem ihr die Demo und Kundgebung doch machen konntet, ziemlich im Hemd da.“

Und das waren durchaus unbekannten Kolleg*innen, die nicht zum bekannten linken Spektrum gehören.

Wir und mehrere andere Redner*innen riefen zur Solidarität mit der kämpfenden Voith-Belegschaft auf, als Beispiel dafür, dass kämpfen trotz Corona doch geht!

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