Kampf für eine Corona-Politik im Interesse der Arbeiter*innenklasse

Auch, wenn es eine Zeit lang eine positive Entwicklung bei den Infektionszahlen gab, ist klar, dass die Politik der Bundesregierung fatale Auswirkungen für die Masse der Bevölkerung hat. Über 4 Monate eines „Lockdowns“ mit herben Einschränkungen des Privatlebens, mit Belastungen besonders für Kinder, Eltern und bestimmten Berufsgruppen haben aber nicht zu einem auch nur annähernd akzeptablen Rückgang der Infektionen und der Zahl der Todesfälle geführt. Im Gegenteil, seit Ende Februar steigen die Infektionszahlen wieder. Die Corona-Pandemie ist außer Kontrolle geraten.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass die Diskussionen über die beste Strategie in der Pandemiebekämpfung auch in Betrieb und Gewerkschaft zum Teil recht kontrovers diskutiert wird. Auch wir in der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) sind uns nicht in allen Fragen völlig einig und wollen an dieser Stelle zunächst kurz skizzieren, was bei uns nicht einhellig beurteilt wird, nämlich der Aufruf ZeroCovid.

Ein Teil von uns ist der Meinung, dass das Recht des Kapitals, seine Interessen auf Kosten der Massen zu verfolgen, vermehrt infrage gestellt wird, was zum großen Teil das Verdienst der Kampagne Zero-Covid ist. Für eine Unterschriftensammlung wurden über 105.000 Unterzeichner*innen gewonnen, es entstanden und entstehen Aufrufe zu bestimmten Bereichen, wie Gewerkschaften, Gesundheitswesen, Erziehung und Bildung etc., sowie lokale Gruppen, die Aktionen gegen Konzerne oder Regierungsinstitutionen durchführen. Diese können sich mit Aktionen, die schon bisher von Aktionsbündnissen gegen die Krisenlasten durchgeführt wurden, verbinden. Solche Initiativen sind bislang aber wegen der Weigerung der Gewerkschaften und der Führung der Linkspartei, solche zu organisieren, stets vereinzelt und schwach geblieben.

Die Zero-Covid-Kampagne hat ihrerseits eine große Dynamik entfaltet. Alle Kräfte, die die Regierungspolitik unterstützen, haben sich gezwungen gesehen, sich zu positionieren. Die Regierungsparteien, dazu die Grünen, alle Arbeit“geber“verbände und die Spitze der IG Metall, haben die Politik des halbherzigen Lockdowns verteidigt, der die Lasten der Bevölkerung aufbürdet und die Industrie gewähren lässt. Der halbherzige Lockdown hat die Pandemie verschleppt, den Lockdown permanent verlängert und die Gefahr neuer Mutationen gesteigert. Eine Politik, die durch ihre Inkonsistenz zugleich Wasser auf die demagogischen Mühlen der Rechten, der AFD und der FDP ist.

Eine Minderheit unseres Koordinierungskreises hält die Zielsetzung von Null Neuinfektionen angesichts der enormen Verbreitung des Virus für praktisch unmöglich. Ein noch schärferer Lockdown bis zur Erreichung dieses Ziels wäre auf unbestimmte Zeit nötig und würde die jetzt schon für viele Menschen aus der Arbeiter*innenklasse erreichte Belastungsgrenze überschreiten. Diese Forderung kann unter den gegebenen Umständen nicht dazu dienen, einheitliche Mobilisierungen der Lohnabhängigen zu erreichen. Eine Spaltung der Arbeiter*innenklasse entlang der Frage „Null als Zielsetzung“ und „scharfer Lockdown auf unbestimmte Zeit“ wäre die Folge. Stattdessen ist es möglich auf der Basis von Massentests und einer Beschleunigung der Impfkampagne, sowie einem Ausbau des Gesundheitswesens den Lockdown im Privatleben an verschiedenen Stellen sogar zu lockern – wenn solche Entscheidungen demokratisch durch die arbeitende Bevölkerung getroffen werden. Statt sich auf die Frage der null Neuinfektionen als Zielsetzung zu fokussieren, sollten Gewerkschaften, Linke und soziale Bewegungen für die weiter unten aufgeführten Forderungen mobilisieren, durch die das Infektionsgeschehen drastisch reduziert und das Virus wieder unter Kontrolle gebracht werden könnte.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Sichtweisen im VKG-Koordinierungskreis haben wir uns entschlossen, den ZeroCovid-Aufruf und den GewerkschafterInnen-Aufruf der ZeroCovid-Kampagne nicht zu unterstützen, gleichwohl eine Reihe von VKG-UnterstützerInnen diese als Einzelpersonen gezeichnet haben.

Radikale Wende erforderlich

Innerhalb des VKG-Koordinierungskreises sind wir also zur Frage des Zero-Covid-Aufrufs nicht alle der gleichen Meinung. Wir sind uns aber einig, dass wir eine radikale Wende brauchen und zwar im Sinne eines Kampfs für eine Anti-Corona-Politik im Interesse der Arbeitenden. Denn:  Das sich hinziehende und inzwischen sogar sich wieder verschlechternde Infektionsgeschehen warvermeidbar. Verantwortlich dafür ist vor allem eine Politik der Regierenden, die Wirtschaftsinteressen über Gesundheitsschutz gestellt hat und nicht das nötige Geld für die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus ausgeben will. 

Gesundheitsämter und Krankenhäuser sind nicht ausreichend ausgestattet, die Impfkampagne verzögert sich, Millionen Beschäftigte müssen sich in den Betrieben und im öffentlichen Nahverkehr einem hohen Infektionsrisiko aussetzen, Schulen erhalten viel zu spät und nicht ausreichend Luftfilter und Pflegeheime werden nicht wirksam geschützt. Die aus Sicht von einem überwiegenden Teil der Schüler*innen und Eltern dringend nötigen Schulöffnungen werden nun mit nicht ausreichenden Schutzmaßnahmen begonnen und für solche werden keine ausreichenden Investitionen getätigt.

Gleichzeitig konnten Vermögende ihren Reichtum während der Krise weiter steigern. Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird völlig dem Gutdünken der Unternehmen überlassen. Während Maskenverweigerung im ÖPNV mit Bußgeldern belegt wird und jugendliche Party- Besucher*innen öffentlich angeprangert werden, sind keinerlei Strafen für Unternehmen bekannt geworden, die keine ausreichenden Hygienemaßnahmen umgesetzt haben.

Masseninfektionen am Arbeitsplatz haben keine Folgen für die Unternehmen und werden oftmals nur lokal bekannt. Von den Arbeitgeberverbänden werden sie geleugnet oder es wird zynisch gefordert, „einige Tote müssten hingenommen werden“.https://www.welt.de/wirtschaft/plus226501327/IW-Studie-Das-ist-die-Alternative-zu-No-Covid.html

Die VKG fordert die Gewerkschaften, die Linke, Sozialverbände, linke Organisationen und soziale Bewegungen dazu auf, zu gemeinsamen Protesten (natürlich unter Hygienebedingungen) lokal, regional und bundesweit aufzurufen. In den Betrieben und Gewerkschaften treten wir für Betriebs- und Personalversammlungen ein, um über die Pandemie, die Krise und wirksame Maßnahmen – einschließlich von Arbeitsniederlegungen und politischen Streiks – zu diskutieren, um einen wirksamen Gesundheitsschutz durchzusetzen und Arbeitsplätze und Einkommen zu verteidigen.

Insbesondere machen wir uns für folgende Forderungen stark:

  • Patente der Impfstoffe international frei geben, Aufkündigung des TRIPS-Abkommens und Produktion unter staatlicher Kontrolle beschleunigen
  • Kostenlose und ausreichende FFP2 Masken für alle, Luftfiltrieranlagen in allen öffentlichen Gebäuden;
  • Kostenlose, regelmäßige Massentests;
  • Nicht-lebensnotwendige Wirtschaftsbereiche runter fahren nach Diskussion und Entscheidung der Beschäftigten, Betriebs-/Personalräte und Gewerkschaften;
  • für die Kontrolle der Arbeitsbedingungen durch die Beschäftigten, die Betriebs- und Personalräte und die Gewerkschaften;
  • Schul- und Kitabetrieb nur nach Entscheidung der Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern
  • für ein Entlassungsverbot während der Pandemie;
  • Arbeitsplätze und Einkommen garantieren; die anstehenden Tarifrunden müssen genutzt werden, um für eine generelle Arbeitszeitverkürzung zu kämpfen und den Widerstand gegen Personalabbau zu stärken;
  • für eine Milliardärsabgabe zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben;
  • Stopp der Stilllegung oder Privatisierung von Krankenhäusern, für die Rekommunalisierung /Verstaatlichung des Gesundheitswesens unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient*innen, bedarfsgerecht ausgestattet und finanziert durch Steuern auf Gewinne und Vermögen der Reichen, Banken und Konzerne.

Wir schlagen vor, dies in den Gewerkschaften und Betriebsgruppen zum Thema zu machen und Resolutionen einzubringen, die auch folgende Punkte beinhalten:

  • Protest gegen die Corona-Politik der Regierenden auf die Straße tragen – für Maßnahmen im Interesse der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten!

Diese Stellungnahme als PDF: https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/03/Stellungnahme-VKG-zu-ZeroCovid-1.pdf

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