Proteste gegen Job-Vernichtung bei Daimler in Untertürkheim – Parkhaus „gekapert“

von Christa Hourani

Mitte September wurden die Pläne der Konzernleitung bekannt, die drastische Einschnitte in den Werken in Untertürkheim und Berlin vorsehen. In Untertürkheim sollen bis 2025 rund 4.000 Stellen wegfallen, das ist jeder 5. Arbeitsplatz. In Berlin ist von 1.000 bis 2000 Arbeitsplätzen die Rede bei insgesamt 2500 Beschäftigten. Betroffen sind die Produktion, aber auch indirekte Bereiche. Dies sind die ersten beiden Werke mit konkret benannten Abbauplänen. Insgesamt sollen bei Daimler die nächsten Jahre 30.000 Jobs vernichtet werden – trotz Zukunftssicherung 2030! Im Sommer wurde bereits ein Sparpaket verabschiedet. So wird u.a. ab 1. Oktober für ein Jahr befristet die Arbeitszeit für Beschäftigte der Verwaltung und der indirekten Bereiche (Entwicklung, Logistik, Instandhaltung etc.) um 2 Stunden verkürzt – und zwar ohne Entgeltausgleich. Das sind fast 6 Prozent weniger Lohn! Jetzt wurde die nächste Runde der Angriffe gestartet!

Der Standort Untertürkheim sei zu teuer, deshalb würde Produktion in Werke nach Osteuropa verlagert werden, so die Konzernleitung. Viele in der Vergangenheit getroffene Vereinbarungen werden vom Daimler-Vorstand in Frage gestellt. In der Information des Untertürkheimer Betriebsrates an die Beschäftigten heißt es: „Ein Katalog voller Provokationen, der für uns nicht in Frage kommt.“ Der Berliner Betriebsrat schreibt: „Sie nennen es Zielbildverhandlung, wir nennen es Kahlschlag. Der Kampf um unsere Zukunft beginnt jetzt!“

Es geht bei dieser Runde der Arbeitsplatzvernichtung nicht um Folgen der „Transformation“ oder Umsatzeinbrüche, sondern um Verlagerungen, und damit um Einsparungen durch billigere Arbeitskräfte in Osteuropa, voraussichtlich Rumänien und Polen. Ähnlich läuft dies bei anderen Automobil- bzw. Zuliefererbetrieben wie MAN, Bosch, Mahle, Eberspächer.

Im Berliner Werk wurde bereits Ende September eine erste Aktion durchgeführt. Am 8. Oktober protestierten mehrere Tausend Untertürkheimer KollegInnen bei 6 Kundgebungen jeweils in der Früh- und Spätschicht in den Werkteilen Mettingen, Untertürkheim und Hedelfingen.

Ein einfacher Protest auf dem Werkgelände war den Mettinger KollegInnen zu banal. Sie wollten mal wieder was Spektakuläres machen. Deshalb „kapern“ sie das nächstgelegene Parkhaus. Über 2000 ziehen entschlossen Richtung Parkhaus, die Straßen und Kreuzungen sperren die Kollegen selbst, Polizei brauchen sie dazu nicht, das haben sie schon 2004 bei der Besetzung der Bundesstraße 10 zwischen Mettingen und Untertürkheim bewiesen. Selbstermächtigung eben! Mit dabei auch 150 Azubis, die für eine Zukunft im Werk kämpfen. Die Stimmung ist kämpferisch, die Reden ebenso. Ein großes Transpi am Parkhaus sagt klar und deutlich: „Kampffähig trotz !!!Corona!!!“ Es gibt Solidaritätsgrüße von den am gleichen Tag streikenden SSB-KollegInnen. Für den Sprecher der SSB-Vertrauensleute ist der Angriff auf die Daimler-Kollegen „ein Angriff auf uns alle, auf die ganze Region, der gemeinsam zurückgeschlagen werden muss. Die ganze Region steht hinter euch, ihr steht nicht allein.“ In der Solidaritätserklärung der Vertrauenskörperleitung vom Daimler-Werk in Wörth heißt es: „Wir haben diese Strategie durchschaut und sehen den Angriff auf Euch als Provokation der gesamten Daimler Belegschaft. Wir halten es deshalb für dringend geboten, dass wir als gesamte Daimler-Belegschaft diesen und weitere Angriffe auf unsere Standorte und Arbeitsplätze gemeinsam zurückweisen und diesen konzernweit den Kampf ansagen.“ Daimler-Solidarität über die Werke hinweg – das ist in dieser Situation wichtig und notwendig.

Weder Standortkonkurrenzlogik, noch Anbiederung an den Daimler-Vorstand hatte auf dieser Protestkundgebung eine Chance. Die gesamte Aktion war geprägt von solidarischem Zusammenstehen und gemeinsamem Kämpfen. Auch nächste Aktionen wurden bereits angesprochen – es ist erst der Beginn der Auseinandersetzung und die Kollegen sind bereit, noch eine Schippe drauf zu legen. 

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