Stellungnahme der VKG zur Tarifrunde Nahverkehr und der Kampagne „Wir fahren zusammen“

Wir haben es alle schon oft erlebt: die Verspätungen beim öffentlichen Nahverkehr, überfüllte Bahnen und Busse, Fahrtausfälle oder schlechte/keine Busverbindung auf dem Land. Das ist nervig und hilft nicht bei der so notwendigen sozial-ökologischen Verkehrswende. Wir alle sind täglich auf den Nahverkehr angewiesen. Doch die aktuelle Politik verhindert, dass wir gut mobil sein können. Es braucht Druck, dass sich die Situation verändert. Die zur Zeit laufende Tarifrunde im Nahverkehr und die Kampagne „Wir fahren zusammen“ können wir nutzen, um den Druck zu verstärken. Es braucht aber auch noch darüber hinausgehende Forderungen.

Von der Tarifrunde TV-N 2024 zu den Arbeitsbedingungen im kommunalen Nahverkehr sind über 100 kommunale Unternehmen in den Städten und Landkreisen betroffen. Dafür wurden in 14 Bundesländern die Flächentarifverträge über die Arbeitsbedingungen in den ÖPNV-Unternehmen gekündigt, hinzu kommen die Haustarifverträge der Hamburger Hochbahn und der VHH. Zusätzlich soll in Bayern der ungekündigte Tarifvertrag verhandelt werden. In Brandenburg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden außer den Arbeitsbedingungen auch die Löhne und Gehälter der Beschäftigten verhandelt.

„Da die Tarifverträge sich an vielen Stellen voneinander unterscheiden, hat jeder Tarifbereich im Austausch mit den Beschäftigten eigenständig Forderungen entwickelt. Zu den Kernforderungen gehören Entlastungselemente, in jeweils mehreren Bundesländern: Verkürzung der Wochenarbeitszeit, Erhöhung des Urlaubsanspruches, zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit sowie Begrenzung geteilter Dienste und unbezahlter Zeiten im Fahrdienst“, so heißt es in der Presseerklärung von ver.di vom 5. Dezember 2023. Als VKG unterstützen wir diese Forderungen, führen sie doch zu einer spürbaren Entlastung der Beschäftigten, die durch die langen Arbeitszeiten und den Schichtdienst überlastet sind. Der Krankenstand ist deshalb hoch. Freiwerdende Stellen können nicht besetzt werden, weil Bezahlung und Arbeitsbedingungen schlecht sind. Zur Zeit arbeiten ca. 300.000 Menschen im ÖPNV. Bis 2030 werden rund 80 000 Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Der Verband der Verkehrsunternehmen geht für die nächsten sieben Jahre von einer Personallücke von gut 100 000 Beschäftigten aus. Also gute Voraussetzungen, um in der Tarifrunde gehörig Druck zu machen, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Kolleginnen und Kollegen für diese Branche gewonnen werden können.

Im Kampf gegen die Klimakrise kommt dem öffentlichen Nahverkehr eine entscheidende Rolle zu. Bund und Länder wollen, dass sich die Fahrgastzahlen bis 2030 im Vergleich zu 2019 verdoppeln. Ein Ziel, das sich nur mit zusätzlichen Bussen, Bahnen und Beschäftigten erreichen lässt. Die Kampagne „Wir fahren zusammen“ wurde von Fridays for Futur und ver.di ins Leben gerufen (https://www.wir-fahren-zusammen.de/). Sie soll die ökologische Verkehrswende voranbringen und die Tarifrunde im Nahverkehr unterstützen. Mit einer Petition soll eine breite Unterstützung der Bevölkerung für die Forderungen der Gewerkschaft erreicht werden. Sie ist ein gutes Mittel, um ins Gespräch zu kommen, wird aber nicht die Kraft haben, Veränderungen zu erreichen. Die Kampagne ist ein wichtiger Schritt, um die Tarifkämpfe zu politisieren, sie breiter sichtbar zu machen sowie Solidarität zwischen betrieblich Aktiven mit Klimabewegten zur stärken und gemeinsamen Druck aufzubauen. Zum ersten Mal ist dies am 3. März 2023 gelungen, als die bundesweite Klima-Streik-Bewegung gemeinsam mit ver.di in der Tarifrunde ÖD streikte. Dies war ein erster Schritt für eine gemeinsame, kämpferische und politische Tarifrunde. Dies kann jetzt fortgeführt und gestärkt werden. Ebenso sollten die verschiedenen laufenden Tarifrunden miteinander verknüpft werden. Denn: Gemeinsam ist man stärker. Zur Zeit ist auch die GDL im Streik – für ähnliche Forderungen. Warum nicht wieder Nah- und Fernverkehr gemeinsam bestreiken wie am 27. März 2023 (ver.di/EVG)? An diesen Tagen konnten wir spüren, welche Kraft die Arbeiterklasse in Deutschland in Streiks entwickeln kann, wenn sie sich für den Arbeitskampf entscheidet, sich über Branchen hinweg zusammenschließt und politische Themen mit einbezieht. Die Reaktion von Kapital und Regierung zeigte, dass damit der richtige Nerv getroffen wurde.

Notwendig ist aber auch, dass deutliche Signale gesetzt werden für ein Ende der Privatisierungen und Fremdvergabe, für eine Rekommunalisierung bzw. Vergesellschaftung aller privatisierten Betriebe des Personennahverkehrs mit Übernahme aller Kolleginnen und Kollegen unter einem einheitlichen Tarifvertrag für alle im öffentlichen Nahverkehr Beschäftigten mit hohen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Dazu gehört eine 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Zehntausende Beschäftigte müssen neu eingestellt werden. Der öffentliche Nahverkehr muss massiv ausgebaut werden, so dass er attraktiv ist und angenommen wird. Außerdem muss er bezahlbar sein mit der Perspektive eines kostenlosen Nahverkehrs. All dies ist durch die Besteuerung von Kapital und großen Vermögen zu finanzieren. Die Reduzierung des Individualverkehrs durch die Verkehrswende, und die dadurch geringere Produktion von Autos mit entsprechend weniger Beschäftigten kann in der Automobilindustrie durch einen Umbau der Produktion – weg vom Auto – hin zur Produktion von Bussen und Bahnen ausgeglichen werden. Es braucht die Entwicklung eines Plans für eine sozial-ökologische Verkehrswende – orientiert an den Interessen der Beschäftigten und NutzerInnen. Dazu gehört neben dem Ausbau des ÖPNV auch, dass das Streckennetz der Bahn durch Aus- und Neubau verdichtet wird.

Mehr Infos sowie Petition und Beteiligungsmöglichkeiten unter: https://www.wir-fahren-zusammen.de/

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