Trauerrede für Christian Krähling

Liebe Angehörige, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen von Christian, sehr geehrte Trauergäste!

Wir trauern um Christian Krähling. Die Familie trauert um ihren liebevollen Vater, Sohn und Bruder.Wir trauern um einen lieben Freund, Kollegen und Genossen, wie wir uns kaum einen besseren wünschen konnten. Wir trauern um einen Kämpfer für eine wirklich menschliche, eine sozialistische Gesellschaft, in der den Arbeitern, den angeblich kleinen Leuten, die Früchte ihrer Arbeit zugute kommen, in der sie selbst gemeinsam ihr Leben und ihre Arbeit organisieren, in der sie selbst gemeinsam die Macht besitzen und ausüben, die sich nicht länger in den Händen einer winzigen Minderheit von schwerreichen Ausbeutern befindet, wie es hier und heute noch immer der Fall ist. Unser großer Dichter Bert Brecht sagte: „… die Stärksten kämpfen ein Leben lang. Diese sind unentbehrlich.“

Seit fast drei Wochen spüren wir nun jeden Tag, dass uns so ein Unentbehrlicher fehlt. Wir alle hatten uns gewünscht und gehofft, dass er uns, besonders seinen Kindern und den Jüngeren unter uns wenigstens noch ein gutes halbes Jahrhundert erhalten bleibt. Diesen Wunsch, diese Hoffnung müssen wir heute zu Grabe tragen. …

Wir sind bei Christian, dem Musiker. Stolz erzählte er mir im letzten Winter, dass seine Tochter J. ihm die Noten beigebracht hatte. Er hätte mit seinen großartigen treffsicheren Texten, seinem Ideenreichtum,seiner schnellen Auffassungsgabe auch als Liedermacher und Sänger mit Sicherheit noch eine große Entwicklung hingelegt. Einen wertvollen Schatz hat er uns hinterlassen: seine Gedichte und Lieder.

Christian, der Gewerkschaftsaktivist, der Klassenkämpfer. Jede, Jeder kann sich ausrechnen, dass die Konzernführung der Firma, die ihr Boss „Unbarmherzig“ nennen wollte, bevor er sich für den Namen „Amazon“ entschied, versuchte, gewerkschaftliche Aktivitäten in ihren Lagern zu stoppen oder genauer: auszumerzen. Am 23. November 2020 enthüllte eine Journalistin auf vice.com, dass Amazon per Annonce für sein Global Security Center Leute gesucht hatte, die „Erfahrung aus dem Geheimdienstwesen des Militärs oder der Strafverfolgung mitbringen“ um „gewerkschaftliche Bedrohungen“ in ihren Lagern zu bekämpfen.Siebzehn Tage später, an seinem 43. Geburtstag war der fähigste Organisator der Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen tot.Ohne Übertreibung kann ich sagen: Sein Tod ist ein schwerer Schlag für die Arbeiterbewegung hierzulande und international.

Der Dichter Erich Fried wurde einmal gefragt, was er den Armen wünschen würde. Seine Antwort: „… daß sie im Kampf gegen die Reichen so beständig, so intelligent und so bewußt sind, wie es die Reichen im Kampf gegen die Armen sind.“ Mit anderen Worten, er hat uns das gewünscht, was Christian Krähling verkörperte. Er war ideenreich, offen für Menschen mit unterschiedlichsten Meinungen,immer bereit, zu lernen, er hatte Mut und keine Scheuklappen, war freundlich, beharrlich, witzig, äußerst schlitzohrig im Umgang mit Chefetagen, beleidigte niemanden, war sachlich und, wenn erforderlich, in der Sache knallhart. Er war taktisch gewieft und strategisch klar. Er forderte und nutzte Mitbestimmung im Betrieb, aber er sah diese niemals als höchste Erfüllung, immer orientierte er auf Selbstbestimmung und Selbstorganisation. Mit Brecht fragte er: „Gut, das ist das Stück Brot, aber wo ist der ganze Laib?“…

Ich glaube, niemand aus den Amazon-Belegschaften wird mir widersprechen, wenn ich unseren immer bescheidenen, humorvollen Freund Christian innerhalb der Amazon-Belegschaften weltweit als den wahrscheinlich fähigsten, weitblickendsten und für den Milliardär undseine Profitgier gefährlichsten Gegenspieler der letzten acht Jahrebezeichne.

Die vollständige Trauerrede steht im LabourNet unter:

https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2020/12/ChristianKraehlingTrauerrede.pdf

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