Angleichung Ost nicht durchgesetzt – Häuserkampf statt Flächentarif

Ja, der Druck war groß. Die Kolleg*innen im Osten Deutschlands haben mit massiven Warnstreiks in der dritten Welle der Tarifrunde kräftig Druck gemacht, um endlich die Angleichung der Arbeitszeit im Osten an die 35-Stundenwoche durchzusetzen. Mehr als 126.000 KollegInnen streikten, das ist fast die Hälfte der ostdeutschen Metaller*innen. Eine flächendeckende Angleichung ist allerdings nicht gelungen. Nur in einzelnen Betreiben konnte Stufenpläne durchgesetzt werden.

Bereits in den Arbeitskämpfen für die 35-Stunden-Woche 2003 und 2018 wurde diese Angleichung nicht erreicht. Nun hat das Kapital die schwierige Situation durch die Pandemie ausgenutzt, um sich ein 3. Mal durchzusetzen. Sie wollen sich diesen Niedriglohnbereich im eigenen Lande unter allen Umständen bewahren, um hier Extraprofite zu scheffeln und die KollegInnen im Westen über Verlagerungsdrohungen besser erpressen zu können. Und sie wollten auch „nicht einen Cent“ über die finanziellen Grenzen des Pilotabschlusses hinausgehen, obwohl der von der IGM vorgeschlagene erste Angleichungsschritt mehr als mickrig war. Die Vorschläge der Metallkapitalverbände aus dem Osten beinhalteten nur das Umtauschen von vorhandenen Tarifleistungen. „Aber Tauschgeschäfte sind keine Angleichung“, heißt es in den „Metallnachrichten“, weshalb die IGM dies ablehnte. Einzig die Übernahme des Pilotabschlusses aus NRW wurde nach vielen Wochen weiterer Streiks jetzt vereinbart. Die vom IGM-Vorsitzenden Jörg Hofmann als „Durchbruch“ bezeichnete „Verhandlungsverpflichtung“ der Arbeitgeberverbände ist kein Durchbruch, sondern versucht, die Niederlage schön zu reden.

Das Ergebnis der bisherigen Auseinandersetzung kann nur als ein vollkommen „unfertiges“ Ergebnis bezeichnet werden:

 

  • Bis Ende Juni 2021 soll ein Rahmen ausgehandelt werden, der »betriebliche Schritte zur Angleichung« ermöglicht. Ähnliches ist bereits 2018 vereinbart worden, ohne dass die Kapitalseite sich in diesen 3 Jahren bemüßigt fühlte, die Arbeitszeiten abzusenken. In Gesprächen, die sich über 1½ Jahre hinzogen, wurde über eine schrittweise Angleichung bis 2030 (!!!) gesprochen. Die Einigung hierüber in Berlin-Brandenburg scheiterte am Veto von Gesamtmetall. Das macht deutlich, wie sehr die östlichen Metallverbände am Gängelband von Gesamtmetall hängen.
  • Aus dem Flächenkampf wird jetzt ein Häuserkampf. Die Umsetzung auf betrieblicher Ebene ist jedoch weit schwieriger und die Erpressbarkeit von Betriebsrats-Gremien ist entsprechend größer. Nur starke Belegschaften werden mit viel Druck Stufenpläne durchsetzen können. Es muss damit gerechnet werden, dass sich eine endgültige Einführung der 35-Stunden-Woche für die mittleren und kleineren Metallbetriebe noch viele Jahre hinziehen wird und es zu weiteren Zugeständnissen (z.B. Kürzungen beim Weihnachts- oder/und Urlaubsgeld) kommen kann.
  • Die für einige Metallbetriebe (VW, ZF, SAS) vereinbarte Stufenregelung zur Angleichung gilt eben nur für diese. Bei VW z.B. wird die Angleichung ab 2022 in 3 Schritten eingeführt, so dass ab 2027 – also 38 Jahre nach der sogenannten „Wende“ – in den sächsischen Werken nur noch 35 Stunden in der Woche gearbeitet wird. Wie zu hören ist, bezahlen allerdings die KollegInnen einen Teil der Kosten aus der eigenen Tasche. Die noch auszuhandelnden Stufenregelungen für die restlichen Metall- & Elektrobetriebe im Osten stehen noch völlig in den Sternen

 

Natürlich weiß der IGM-Vorstand auch, wenn die IGM mit einer guten Warnstreikwelle die Verzögerungstaktik der Metallverbände Ost nicht durchbrechen konnte, dies im Häuserkampf mit eher beschränkter Kraft und kleineren Aktionen noch schwieriger zu erreichen ist. Mit dem Ausrufen des Häuserkampfes soll den Kolleg*innen vorgetäuscht werden, dass die IGM weiter kämpfen will. Die Beendigung des Flächenkampfes ist aber ein Signal an die Kapitalseite: „macht eure Verzögerungstaktik weiter wie bisher, wir sind bereit, dies wegen des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der kleineren Betriebe und des Standortes Deutschland zu akzeptieren“.

 

Fazit: Die vom IGM-Vorsitzenden Jörg Hofmann als Durchbruch gefeierte „Verhandlungsverpflichtung“ ist eine Mogelpackung. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die IGM eher eine Niederlage eingefahren hat als einen Durchbruch erzielt hat. Die gute Streikbeteiligung wurde wieder einmal nicht als Anregung für eine Ausweitung der Kampfmaßnahmen genutzt hin zu Vollstreiks. Ein enttäuschendes Ergebnis und eine weitere verpasste Chance, die Arbeitszeiten im Osten um 3 Stunden zu senken. Das zeigt einmal mehr, wie dringend notwendig es ist, einen Kurswechsel der IG Metall weg von Co-Management hin zu einer klassenkämpferischen Ausrichtung anzustoßen. Sonst wird es schwierig werden, die MetallerInnen im Osten in den nächsten Jahren für Streiks zu mobilisieren.

https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/05/VKG-SN-Abschluss-TR-IGM-Ost.pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.