Tarifrunde Handel: Ohne Druck wird es keine Erhöhungen geben

Im Groß- und Außen- sowie im Einzel- und Versandhandel werden in den kommenden Wochen für insgesamt 5,1 Mio. Beschäftigte die Tarife verhandelt. 3,1 Mio. arbeiten allein im Einzel- und Versandhandel in 317.000 Betrieben. Viele Handelsunternehmen haben während der Corona-Pandemie ausgesprochen gute Profite gemacht, sei es im Lebensmittelhandel, in Drogerien oder auch in den Baumärkten. Allein im Online-Handel sind die Umsätze im vergangenen Jahr um fast 21% gestiegen auf 71,5 Mrd €. Trotz der Lockdowns hat der Einzel- und Versandhandel den Gesamtumsatz intensiv gesteigert. Es war das elfte Wachstumsjahr in Folge.

Doch wie auch in der Metalltarifrunde im Frühjahr oder der TR ÖD im Herbst letzten Jahres will die Kapitalseite ihre Profite behalten und machten in den ersten Verhandlungen keine Angebote für eine Tariferhöhung. Sie wollen für 2021 „jegliche Entgelterhöhung – einschließlich Einmalzahlungen – grundsätzlich ausfallen zu lassen“. Auch ab 2022 solle es nach dem Willen der Kapitalseite Entgelterhöhungen „nur in differenzierter Weise und nach der Krisenbetroffenheit der Unternehmen“ geben. Auch da sind die Parallelen zur Metalltarifrunde deutlich – in allen Branchen nützen die Kapitalisten die Ängste und Unsicherheiten der Belegschaften, um ihre Profite zu steigern und Reallohnsenkungen durchzusetzen. Und nicht nur hier sind die Parallelen zu sehen: Auch viele Geschäftsführungen – vor allem im Einzelhandel – nutzen die Pandemie dazu, um schon lang geplante Umstrukturierungen und vor allem den Ausbau des Online-Handels gegen die Belegschaften durchzusetzen. Tausende von KollegInnen haben oder werden noch ihre Arbeitsplätze verlieren.

Die ver.di-Forderungen sind moderat und liegen für den Einzel- und Versandhandel bei etwa 4,5 Prozent plus 45 Euro Festbetrag, um die unteren Entgeltgruppen besser zu stellen. Außerdem soll niemand für weniger als 12,50 Euro Stundenlohn arbeiten. Im Groß- und Außenhandel bewegen sich die Forderungen – je nach Landesbezirk – zwischen 4,5 und 6 Prozent plus Festbetrag. Die Festbeträge sind unterschiedlich hoch und reichen bis 199 Euro im Monat mehr bzw. 1 Euro mehr pro Stunde. In Baden-Württemberg wird zusätzlich eine tarifliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100 % des Nettoverdienstes sowie eine Erhöhung der monatlichen tariflichen Sozialzulage gefordert. Außerdem fordert ver.di die Allgemein-verbindlichkeit der Tarifverträge für beide Teilbranchen des Handels. Positiv sind die Festbeträge, da sie insbesondere den unteren Entgeltgruppen nützen, die in der Pandemie am meisten verloren haben. Deshalb sollten diese Festbeträge im Ergebnis enthalten sein. Die Angst vor Altersarmut ist im Handel wegen der Niedriglöhne sehr groß, deshalb auch die Dringlichkeit des Mindestlohns von 12.50 Euro. Die anhaltende Tarifflucht hat dazu geführt, dass inzwischen rund 80 Prozent der Betriebe im Handel nicht mehr an die Flächentarifverträge gebunden sind. Deshalb ist die Allgemeinverbindlichkeit so wichtig, um wenigstens die tarifliche Bezahlung garantiert zu haben. Die Forderungen sind notwendig und müssen durchgesetzt werden. Die Belastungen sind extrem gestiegen, ebenso die Lebenshaltungskosten. Viele hatten durch Kurzarbeit empfindliche Einbußen.

In verschiedenen Städten gab es erste Auftaktaktionen. Begonnen haben die Kolleg*innen beim Versand-händler Amazon an 7 Standorten unter dem Motto „Tarifflucht beenden, Dumpinglöhne bekämpfen, Gesundheit schützen!“ Seit langem fordern sie gemeinsam mit ver.di die Anerkennung der Flächentarif-verträge Einzel- und Versandhandel sowie den Abschluss eines Tarifvertrages für gute und gesunde Arbeit. Weitere Aktionen gab es bei Edeka, Ikea, Kaufland u.a.

Auch in dieser Branche braucht es kräftigen Druck durch Streiks, sonst wird es keine Tariferhöhungen geben. Das haben alle Tarifrunden in 2020/2021 in den verschiedenen Branchen gezeigt. Aber das alleine wird in dieser Tarifrunde nicht ausreichen. Viele KollegInnen fragen sich, wie die kommenden Entlassungen verhindert werden könne. Eine wichtige Antwort darauf wäre, in dieser Tarifrunde die Frage der Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich aufzunehmen, um die Arbeit auf alle Köpfe verteilen zu können. Dafür wäre es sinnvoll, dass die Aktiven auf ihren Streikvorbe-reitungskonferenzen diese Forderung einbringen und von den Tarifkommissionen verlangen, diese in der Tarifrunde mit aufzunehmen und dafür aktiv zu mobilisieren bis hin zu Durchsetzungsstreiks. Hilfreich sind auch Solidaritätskomitees, die die Aktionen und Streiks mit unterstützen, z.B. durch Flashmobaktionen u.a.

Wir wünschen den Kolleg*innen eine kämpferische Tarifrunde und viel Erfolg.

https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/05/VKG-Statement-TR-Handel.pdf

 

 

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