Berliner Krankenhausbewegung: Streik geht in die dritte Woche!

Mehr von Euch ist besser für alle!

Seit mehr als zwei Wochen bereits befinden sich Kolleg*innen an den landeseigenen Krankenhäusern Charité und Vivantes, sowie den ausgegliederten Servicebetrieben bei Vivantes im unbefristeten Streik. Die Berliner Krankenhausbewegung, die schon im Frühjahr mit dem Organisieren von Kolleg*innen begann, ist auch von bundesweiter Bedeutung.

Die zwei brennenden Punkte, für die Kolleg*innen kämpfen, sind: Entlastung auf den Stationen und in den Bereichen durch bessere Personalausstattung und ein Ende der viel zu niedrigen Bezahlung bei den Vivantes-Töchtern. Diese Forderungen sind seit dem 12. Mai, dem Tag der Pflege, bekannt. Eine Mehrheit der Beschäftigten hatte sie unterschrieben und es wurde ein 100-Tage-Ultimatum an die „Arbeitgeber“ und den rot-rot-grünen Senat gestellt: Entweder die Forderungen werden erfüllt, oder es kommt zum Streik. Dieses Ultimatum ließen Arbeitgeber und die Verantwortlichen in der Landesregierung verstreichen. Zunächst gingen die Beschäftigten dann in einen Warnstreik.

Harte Arbeit“geber“

Die Vivantes-Geschäftsführung versuchte zunächst mit einstweiligen Verfügungen gegen den Streik vorzugehen. Nach zwei Warnstreiktagen wurden diese gekippt. Noch immer gab es aber keine Angebote. Daher traten die Kolleg*innen am 9. September gemeinsam in den unbefristeten Streik. Dafür gab es überwältigende Zustimmung bei der Urabstimmung. Vor und während des Streiks sind mehr als zweitausend Beschäftigte der Gewerkschaft ver.di beigetreten. Es gibt eine große Entschlossenheit.

Die Vivantes-Geschäftsführung nahm wieder eine harte Haltung ein und verweigerte Verhandlungen während des Streiks. Doch dazu waren die Kolleg*innen, die sich über Teamdelegierten-Strukturen beraten, nicht bereit. Inzwischen konnte zumindest die komplette Blockadehaltung durchbrochen werden. Bei Charité wird Bereitschaft signalisiert, einen Tarifvertrag mit Eckpunkten für eine Personalbemessung auf den verschiedenen Stationen und in Bereichen abzuschließen und auch ein Punktesystem für Freizeitausgleich, wenn diese nicht eingehalten werden.

Mehr Personal

An der Charité war es 2015/16 zum ersten Mal gelungen über einen Arbeitskampf einen Entlastungstarifvertrag durchzusetzen. Allerdings mangelte es hier noch am so genannten Konsequenzen-Management – das heißt, es blieb für den „Arbeitgeber“ weitgehend folgenlos, wenn die tariflichen Festlegungen der Personalbesetzungen nicht eingehalten werden. Dies wurde inzwischen durch Tarifverträge zum Beispiel an den Uniklinika Jena und Mainz verbessert. Hier gibt es Freizeitausgleich, sobald jemand in einer Schicht arbeiten muss, in der weniger Personal im Dienst ist.

Dies ist nun auch das Ziel für die Kolleg*innen in Berlin. Es ist ihnen dabei wichtig, dass diese Mehrbelastung nicht durch Geld, sondern durch Freizeit ausgeglichen wird. Zum einen soll hierdurch mehr Zeit für Erholung und damit Entlastung erreicht werden, zum anderen soll dadurch auch indirekt erreicht werden, dass der „Arbeitgeber“ mehr Personal einstellt.

TVÖD für alle an der Spree

Bei der Frage der Angleichung der Tarife an den TVÖD bei den Vivantes-Töchtern gibt es nach etlichen Verhandlungsrunden kein ausreichendes Angebot. Das alles ist auch politisch ein Skandal, da das Land Berlin unter rot-rot-grüner Regierung Eigentümer von Vivantes und Charité ist und in der Koalitionsvereinbarung vor fünf Jahren sogar die Rückführung aller Tochterunternehmen in die landeseigenen Krankenhäuser als Ziel vereinbart wurde. Jetzt wird einfach der schwarze Peter hin und her geschoben zwischen Geschäftsführungen, Senat, Bundesregierung, den Parteien und sogar innerhalb der Parteien. Leidtragende sind die Beschäftigten sowie die Patient*innen und die potentiellen Patient*innen, also die arbeitende Bevölkerung.

Streikdemokratie

Es ist offen, ob es noch vor den Wahlen zum Bundestag und dem Berliner Abgeordnetenhaus einen Abschluss gibt oder der Arbeitskampf über den Wahltermin hinaus geht. Aktuell finden Verhandlungen zwischen ver.di und den jeweiligen Geschäftsführungen statt und es wird nach einer Lösung am Verhandlungstisch gesucht. Doch die Entscheidung über Annahme des Ergebnisses und ein Aussetzen des Streiks geht alle streikenden Kolleg*innen an und sollte erst nach Diskussionen und Abstimmungen der Streikenden bei Streikversammlungen getroffen werden. Besonders muss auch die Frage der Spaltungsgefahr thematisiert werden, denn es ist klar, dass die Arbeitgeber versuchen werden, die gemeinsame Bewegung dadurch zu schwächen, dass einzelnen Teilen Angebote gemacht werden und anderen nicht.

Gesellschaftspolitische Bewegung

Die Auseinandersetzung hat eine gesellschaftspolitische Dimension. Es geht um die Ausrichtung und Finanzierung des Gesundheitswesens. Dabei sollten die Tarifkämpfe für Entlastung in Verbindung mit einer gesellschaftspolitischen Bewegung stattfinden. Ver.di fordert daher richtigerweise ein Ende des Fallpauschalensystems und eine gesetzliche Personalbemessung. Dazu muss auch die Profitorientierung im gesamten Gesundheitswesen beseitig werden. Das heißt ein Ende der Krankenhausprivatisierung, die Rücknahme von bereits privatisierten Krankenhäusern und ausgegliederten Bereichen in die öffentliche Hand und demokratische Kontrolle durch Beschäftigte und Patient*innen.

Solidarität

Gerade Streiks wie aktuell in Berlin bieten die Möglichkeit, mehr Öffentlichkeit zu schaffen und auch in die Betriebe hinein zu tragen. Die Verantwortung für das Organisieren von breiter Solidarität und der Verbreiterung hin zu einer gesellschaftspolitischen Bewegung liegt bei den Gewerkschaften. Das Potenzial dafür ist da. Bei einer Spendensammlung für die Kolleg*innen der Vivantes-Töchter, die durch das Berliner Bündnis „Gesundheit statt Profite“ gestartet wurde, kamen innerhalb kurzer Zeit mehrere tausend Euro zusammen. Noch viel mehr praktische Solidarität wäre möglich, wenn ver.di und DGB es systematisch in die Betriebe tragen würden. Dafür setzen wir uns ein. Eine unserer Unterstützer*innen hat in den Fachbereichsvorstand im Bezirk Berlin eingebracht, alle ver.di Fachbereiche und DGB-Gewerkschaften aufzufordern, Solidarität zu organisieren, konkret:

1) Die Unterstützung der Krankenhausbewegung auf allen gewerkschaftlichen Versammlungen und in den Betriebs- und Personalräten zum Thema zu machen, sowie ein Massen-Infoflugblatt für Betriebe zu drucken und die Verteilung systematisch zu organisieren: über Betriebs- und Personalräte, Vertrauensleute mit Unterstützung durch hauptamtliche Kräfte der Gewerkschaften.

2) Zu einer weiteren Großdemonstration zur Unterstützung der Berliner Krankenhausbewegung zu mobilisieren – mithilfe des Flugblattes, sowie über gezielte Ansprache in den Betrieben.

3) Ein offenes gewerkschaftliches Unterstützungskomitee zu gründen, das die Unterstützung der Streikbewegung durch die DGB-Gewerkschaften organisiert.

Zum anderen sollte ver.di die Entschlossenheit der Kolleg*innen von Charité, Vivantes und Vivantes-Tochtergesellschaften und die Dynamik dieser Bewegung nutzen, um eine bundesweite Entlastungskampagne vorzubereiten. Dazu wäre als erster Schritt notwendig, bundesweit über die Kämpfe und Erfahrungen in Berlin in den Krankenhäusern zu informieren. Als zweiten Schritt,  TarifberaterInnen- und Vertrauensleute-Strukturen aufzubauen. Die kommende Tarifrunde der Länder, zu der auch die Unikliniken gehören, bietet hierfür eine gute Chance.

Zum anderen sollte ver.di die Entschlossenheit der Kolleg*innen von Charité, Vivantes und Vivantes-Tochtergesellschaften und die Dynamik dieser Bewegung nutzen, um eine bundesweite Entlastungskampagne vorzubereiten. Dazu wäre als erster Schritt notwendig, bundesweit über die Kämpfe und Erfahrungen in Berlin in den Krankenhäusern zu informieren. Als zweiten Schritt, TarifberaterInnen- und Vertrauensleute-Strukturen aufzubauen. Die kommende Tarifrunde der Länder, zu der auch die Unikliniken gehören, bietet hierfür eine gute Chance .

Die VKG unterstützt die Gruppe von Kolleg*innen „Aktive im Gesundheitswesen für eine kämpferische ver.di“ bundesweit und fordert Kolleg*innen auf, sich ihnen anzuschließen. So können sich Kolleg*innen zusammenschließen, um gemeinsam in ver.di Vorschläge auf Grundlage einer kämpferischen Ausrichtung durchzusetzen: kh-aktivenkonferen@web.de

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