Streik von Krankenhausbeschäftigten in Berlin geht in die vierte Streikwoche!

Solidarität mit dieser beeindruckenden Bewegung wird immer wichtiger! Wir haben zwei Interviews mit KollegInnen (mit Daniel Labes, Gesundheits- und Krankenpfleger Funktionsdienst bei einer Rettungsstelle bei Vivantes und mit Jenniffer Lange, Mitglied der ver.di-Tarifkommission für die Vivantes Töchter*) gemacht, um einen Einblick zu bekommen, wie die Stimmung ist und wie es weiter geht:

Interview mit Daniel Labes, Gesundheits- und Krankenpfleger Funktionsdienst bei einer Rettungsstelle bei Vivantes

Daniel, ihr seid mittlerweile seit fast drei Wochen im unbefristeten Streik. Das ist der längste Krankenhausstreik in Berlin und noch immer stellt sich die Vivantes-Leitung stur. Wie ist die Stimmung?

Die Streikbereitschaft ist unverändert hoch und man kann sagen, das Verhalten der Vivantes-Geschäftsführung hat die Wut noch gesteigert. Es ist allerdings kein Spaziergang. Ein Streik im Krankenhaus ist anders als in einem Produktionsbetrieb. Wir haben es mit Menschen zu tun, die Hilfe brauchen, da muss man einen Streik anders organisieren. Wir halten uns an die von ver.di vorgeschlagene Notdienstvereinbarung für den Streik (die der Arbeitgeber nicht einmal bereit war, mit ver.di gemeinsam abzuschließen). Das bedeutet, dass Kolleg*innen während unseres Streiks immer wieder auch Notdienste machen müssen, obwohl sie eigentlich streikbereit sind.

Was bedeutet das in deinem Bereich zum Beispiel?

Bei uns gibt es eine besondere Schwierigkeit. In der Rettungsstelle sind wir sowieso schon so schlecht besetzt, dass wir nicht hinterherkommen. Zu uns kommen Notfälle, die natürlich schnell versorgt werden müssen. In den ersten Tagen des Streiks haben uns die Kolleg*innen der Feuerwehr noch verschont, aber inzwischen ist das nicht mehr so. Wir haben auch wegen Corona einen höheren Krankenstand. Daher müssen wir streikbereite Kolleg*innen wieder in den Dienst stellen. Das drückt die Moral etwas, denn die Kolleg*innen wollen eigentlich streiken, damit sich grundlegend etwas verändert!

Wie sieht denn die Besetzung in der Rettungsstelle aus?

Die Vivantes-Geschäftsführung spricht immer davon, dass sie ihren Versorgungsauftrag erfüllen müssen. Aber es gibt gar keine gesetzlichen oder demokratisch kontrollierbaren Vorgaben! Ich war wirklich erschüttert, als ich das im Laufe des Arbeitskampfes feststellen musste. Es gibt enorme Engpässe bei der Erstversorgung von Notfällen und es gibt aber keine gesetzlichen Kerngrößen für den Versorgungsauftrag! In Berlin-Reinickendorf gibt es beispielsweise keine Kinderrettungsstelle.

Auch für die Personalbesetzung in den Rettungsstellen gibt es keine Vorgaben. Wir können hier nicht, wie in der Pflege eine klare Ratio einfordern – also eine bestimmte Zahl von Pflegekräften für eine bestimmte Anzahl von Betten. Es ist nicht vorherzusagen, wie viele Notfälle bei einer Schicht rein kommen. Man bezieht sich allgemein auf durchschnittliche Fallzahlen aus dem Vorjahr. Es wurde eine Kerngröße festgelegt. Nach dieser ist die Patientensicherheit gefährdet, wenn es mehr als 1200 Fälle pro Jahr auf eine Stelle gibt.

Was fordert Ihr für Deinen Bereich?

Wir fordern maximal 1025 Fälle pro Jahr und Pflegekraft, damit es einen Puffer gibt. Die Vivantes-Geschäftsführung lässt sich bisher nicht darauf ein. Sie sagt, die Einhaltung der Mindestgrenze von 1200 Fällen ist ihr letztes Angebot. Aber es kommt noch besser: Servicekräfte und Medizinische Fachangestellte sollen in diese Rechnung mit einbezogen werden. Auch das ist gesetzlich leider nicht definiert. Aber es ist ein Unding, denn diese Kräfte sind nicht für die Notfallversorgung ausgebildet! Fast die Hälfte sind auf unserer Rettungsstelle aktuell keine ausgebildeten Gesundheits- und Krankenpflegekräfte. Das heißt, die Servicekräfte und MFA‘s sollen Aufgaben erledigen, für die sie weder ausgebildet noch bezahlt werden. Für Vivantes lohnt es sich, denn die Kolleg*innen verdienen rund 84 Prozent des Gehaltes. Schlimm ist es, wenn in einigen Diensten die Notfallversorgung der Patient*innen und ihre Sicherheit dadurch nicht mehr gewährleistet würde. Wir sagen deshalb ganz klar: Nicht der Streik gefährdet das Wohl der Patient*innen, sondern der Normalzustand! Viele Kolleg*innen halten es nicht mehr aus. Sehr viele sagen, entweder ändert sich mit diesem Streik etwas, oder ich wechsele den Arbeitgeber oder auch den Beruf.

Wo siehst Du die Bewegung? Gibt es Aussicht auf Erfolg?

Ich persönlich kann nicht erkennen, dass es in dieser Woche ein ausreichendes Angebot geben wird. Weiterhin schieben Geschäftsführung und Senat den schwarzen Peter hin und her. Vor den Wahlen gab es viele Aussagen von Landespolitiker*innen, auch vom SPD-Fraktionsführer Raed Saleh, dass das Land Berlin die Gelder zur Verfügung stellen würde. Denn Vivantes sagt, aufgrund der Verluste im Corona-Jahr könnten sie die Forderungen bezüglich Entlastung wie auch der Anhebung der Löhne bei den Vivantes-Töchtern auf TVÖD-Niveau nicht bezahlen. Es gab nicht nur die Zusagen, sondern auch einen entsprechenden Beschluss im Abgeordnetenhaus.

Doch nun sagen die Arbeitgeber, es habe sich lediglich um eine Absichtserklärung gehandelt und nicht um eine garantierte Zusage. Das alles ist auch ein politischer Skandal. Die landeseigenen Häuser sollten finanziell so ausgestattet werden, dass sie den Versorgungsauftrag, von dem alle sprechen, tatsächlich auch ausführen können. Ich denke, die Kolleg*innen sind weiter kämpferisch und streikbereit, auch wenn es diese Woche nicht zu einem Ergebnis kommt. Wir wollen eine wirkliche Veränderung, entsprechend muss auch das Ergebnis aussehen.

Wie kann ein besseres Gesundheitswesen aussehen?

Es gibt viele Studien, die belegen, dass eine bessere Personalausstattung zu einer geringeren Sterblichkeit der Patient*innen führt. Die Ausrichtung auf den Markt und das Fallpauschalensystem im Gesundheitswesen führen dazu, dass bei den notwendigen Behandlungen, die aber wenig Geld bringen, abgebaut und dafür die lukrativen ausgebaut werden. Ich nenne nur zwei Beispiele. Ein Notfall wird mit mit einer Pauschale von 35 Euro von der Krankenkasse finanziert. Diese 35 Euro sind nach Aufnahme, Erstversorgung und vielleicht noch einem Röntgenbild aber schon aufgebraucht. In den meisten Fällen sind aber noch viele andere Vorgänge nötig. Das Gegenbeispiel sind künstliche Hüften. Dafür gibt es viel Geld. Im Vergleich mit anderen Ländern werden aber in Deutschland durchschnittlich wesentlich mehr künstliche Hüften operiert. Die Vivantes-Geschäftsführung hat im Zuge der Verhandlungen öffentlich gesagt, dass sie Leistungen abbauen wollen, um das Verhältnis von Patient*innen zum Personal zu verbessern. Meiner Meinung nach verfolgen sie aber sowieso das Ziel, zugunsten lukrativer Leistungen die unlukrativen abzubauen und wollen dann ver.di die Verantwortung für diesen Abbau in die Schuhe schieben. Letztendlich brauchen wir ein Gesundheitswesen, was insgesamt nicht von der Marktlogik geleitet wird, sondern demokratisch kontrolliert und nach Bedarf ausgerichtet und ausfinanziert wird.

Danke für das Gespräch! Wir wünschen Euch weiterhin viel Kraft. Euer Kampf ist wichtig für uns alle!

Das Gespräch führte Angelika Teweleit, eine der 3 Sprecherinnen der VKG

„Sie unterschätzen unsere Stärke“

Gespräch mit Jenniffer Lange, Mitglied der ver.di-Tarifkommission für die Vivantes Töchter*

Der Streik von Kolleg*innen bei Vivantes, Charité und den Vivantes Töchtern geht schon in die vierte Woche. Es ist von großer Bedeutung, dass jetzt die Solidarität ausgebaut wird. Jenny arbeitet bei einer der Vivantes-Töchter, der SVL (Speiseversorgung) und ist Mitglied der ver.di-Tarifkommission für die Töchter.

Wir trafen uns am Dienstag, den 28. September. An diesem Tag fand eine Streikversammlung aller Kolleg*innen der Töchtergesellschaften statt, wo über die Lage diskutiert wurde und die Streikbereitschaft abgefragt wurde. Zudem war Franziska Giffey (SPD) eingeladen, die aufgrund des Wahlergebnisses vom Sonntag, den 26.9. zukünftige Berliner Oberbürgermeisterin wird. Sie sollte daran erinnert werden, dass sie vor der Wahl versprochen hatte, dass die Gelder vorhanden sind, um die Forderung der Beschäftigten nach Einführung des TVÖD bei den Töchtern des landeseigenen Vivantes-Klinikums zu erfüllen. Zur Erinnerung fügen wir nochmal hinzu, dass im letzten Koalitionsvertrag unter rot-rot-grün sogar die Rückführung aller Töchter zum Ziel gesetzt war – bei Vivantes wie auch Charité. Trotzdem sind die Kolleg*innen weiter gezwungen, gegen Niedriglöhne bei den Töchtern und eklatanten Personalmangel zu streiken. Auch vor der Wahl gab es trotz etlicher Zusagen von verschiedenen Vertreter*innen aus den Senatsparteien kein Ergebnis. Die Geschäftsführung und Verhandlungsleitung des Vivantes-Klinikums fährt eine besonders harte Linie.

Jenniffer, letzten Freitag kam es zum Eklat bei den Tarifverhandlungen für die Vivantes-Töchter. Was ist passiert?

Alles hatte schon am Vortag schlecht begonnen. Vivantes wollte am Donnerstag ein neues Angebot machen, wir warteten und es kam nichts im laufe des Tages. Irgendwann abends kam dann doch noch das Angebot. Wir konnten es nicht glauben. Darin stand, es sollte eine weitere Tochterfirma, die MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) ausgegliedert werden aus den Tarifverhandlungen! Vorher hatte Vivantes schon das Labor Berlin ausgegliedert, was schon schlimm genug ist. Aber es war nie Thema, dass nun noch eine weitere Tochter aus den Verhandlungen ausgenommen werden soll! Das war wie ein Schlag ins Gesicht.

Trotzdem gingen wir am Freitag zunächst an den Verhandlungstisch, um zu sehen, ob es irgendeinen Weg gibt, das abzuwenden und über das, was auf dem Tisch liegt zu verhandeln. Dabei kam heraus, dass die Entgelttabellen und ihre Struktur nicht im Ansatz das ist, was  der TVÖD (Tarifvertrag Öffentlicher Dienst) beinhaltet. Anstatt sechs Stufen sollte es nur vier geben. Auch die Zeitfenster waren ganz anders ausgelegt. Danach müsste man vier Jahre in der Stufe 1 arbeiten, bevor man in die nächste Stufe kommt – beim TVÖD kommt man nach einem Jahr in Stufe 2. Nach dem Modell des „Angebots“ käme man nach insgesamt zwölf Jahren in Stufe 4 und da bleibt man. Das Stufenmodell des TVÖD geht über 16 Jahre bis Stufe 6, wo man dann bleibt.

Außerdem sollten die Löhne für die Laufzeit des Vertrages fest gefroren werden! 2025 sollte es für die Tabellen also den Stand vom 1.1. 2022 geben. Damit würde die Grätsche, die zum TVÖD besteht, die wir ja kleiner machen wollen, im Gegenteil wieder größer. Viele Berufsgruppen wie die VSG (Vivantes Service GmbH) und die Reha bekämen erstmal keine Lohnerhöhung – erst ab 2024 und auch da nur minimale Lohnsteigerungen.

Die Verhandlungsführerin auf Seite von Vivantes, Dorothea Schmidt, meinte dann noch, wir können uns doch freuen da in einigen Töchtern schon Lohnerhöhungen dies Jahr vorgenommen wurden z.b bei Viva Clean. Dabei bezieht sie sich auf die Anhebung von 10,91 Euro Stundenlohn auf 11,11 Euro, also 20 Cent. Wir fragten Sie ganz freundlich, ob sie das als anständige Lohnerhöhung betrachtet und ihre Aussage war 2,9% reichen doch. Des öfteren hat sie jetzt schon in Verhandlungen gesagt, man solle doch froh sein, dass man von einem Lohnempfänger zu einem Gehaltempfänger wird.

Sie unterschätzt auch die Stimmung bei den Kolleg*innen. Bei den Verhandlungen spricht sie immer nur mit den Ver.di-Sekretär*innen – die Kolleg*innen, die ja auch von der Tarifkommission dabei sind, nimmt sie gar nicht wahr.

Ein weiteres Problem ist, dass immer noch drin steht, dass alle Erhöhungen unter Vorbehalt der wirtschaftlichen Lage stehen. Auch im Mantel-Tarifvertrag war nichts mehr von TVÖD zu lesen. Es ist einfach schwierig, diese Kaltschnäuzigkeit zu ertragen – man kommt sich vor, wie der letzte Pöbel. Vorher hatten wir uns verständigt, wir wollen den TVÖD verhandeln. Nach Stunden des Verhandelns und immer wieder Unterbrechen, sitzt sie dann da und bietet uns zu dem bestehenden Angebot noch an, den Mindestlohn von 12,50 Euro einzuführen rückwirkend ab 1.8.2021. Dieser Mindestlohn gilt in Berlin laut Vergabegesetz, das heißt für alle öffentlichen Aufträge. Deshalb hat das nichts mit unseren Verhandlungen zu tun. Wenn hier etwas nicht umgesetzt, was gesetzlich verankert ist, dann ist es Aufgabe der Politik, sicherzustellen, dass es umgesetzt wird – besonders natürlich in den landeseigenen Betrieben! Es ist in der Tat immer noch so, dass bei SVL und Vivaclean unter diesem Mindestlohn gezahlt wird.

Am Freitag hat Frau Schmidt an die Presse gegeben, Ver.di schlage ein Angebot im Volumen von 47 Millionen Euro aus. Da wird aber nicht dazu gesagt, dass es sich um die ganze Laufzeit handeln soll. Also, wenn Vivantes sagt, die Einführung des TVÖD bei den Töchtern kostet 35 Millionen Euro im Jahr, und Frau Schmidt spricht von 47 Millionen für eine Laufzeit von vier Jahren, dann kann man sich ausrechnen, dass die Lücke sehr groß ist. Und ab 2025 bis 2028 soll es auch bei 95 Prozent bleiben.

Zudem will sie das alles noch verbunden haben mit einer Friedenspflicht bis zum Jahr 2028! Zusammengefasst: Es gibt keinen TVÖD, sondern eine andere viel schlechtere Stufentabelle, für die nächsten Jahre gibt es ein Einfrieren der Tabellen und wir sollen über sieben Jahre nicht streiken dürfen und es gibt noch die Klausel der Wirtschaftlichkeit. Was für ein Angebot soll das sein?

Wir haben auch gesagt, wir gehen hier nicht ohne eine weitere Tochter aus dieser Auseinandersetzung raus. Die anderen haben genauso den TVÖD zu bekommen wie alle anderen. Die Vivantes-Geschäftsführung hat nicht verstanden, wie die Stimmung ist.

Es gibt auch insgesamt keine Wertschätzung. Es gibt Bereiche, wo man fünf Minuten Pause im Büro beantragen muss. Wir streiken momentan von Montag bis Freitag. An den Wochenenden, wo wir an die Arbeit kommen, werden wir aktuell mit Arbeiten in die hintersten Ecken gestellt.  Man bekommt genau mit, das wird mit Streikenden gemacht. Das geht einfach nicht.

Heute war Franziska Giffey da. Ich hatte das Gefühl, es wurde viel Hoffnung rein gesteckt, dass sie jetzt die finale Finanzierungszusage vom Senat macht. Das ist nicht passiert. Wie wertest Du das Gespräch mit ihr heute?

Der Termin ist entstanden, weil wir klar zeigen wollten, wir haben nicht vergessen, was die Zusagen waren. Vor der Wahl schon hatte es diese Zusagen gegeben, von Giffey und SPD-Fraktionsführer Raed Saleh. Noch am Freitag vor der Wahl teilte uns Bettina König von der SPD-Fraktion mit, der amtierende OB Michael Müller habe gesagt, die Gelder sind da. Aber Frau Schmidt und Herr Danckert von Vivantes sagen, sie hätten von niemandem etwas in der Hand

Für mich ist klar: Frau Giffey steht in der Verantwortung. Es reicht nicht, sich einfach nur hinzustellen und zu sagen, ich bin für Euch. Aber wenn das Geld da ist, sollen sie es Frau Schmidt in die Hand geben.

Franziska Giffey hat ja eine Schlichtung vorgeschlagen, beziehungsweise jetzt eine Moderation durch Matthias Platzek. Was denkst Du darüber?

Die Moderation mit Platzek haben wir angenommen. Aber es ist ganz klar: es wird bei uns keine Schlichtung geben. Wir wollen den TVÖD. Wir machen Zugeständnisse, die haben wir auch schon gemacht. Aber auch die haben irgendwann eine Grenze. Für mehr als eine Moderation wird Herr Platzek nicht da sein. Wir sagen immer, das Ziel ist der TVöD aber der Weg dorthin ist verhandelbar.

Wie sind sehr stark organisiert, das unterschätzen sie, denke ich. Wir sind ungebrochen  und wir sagen auch klar: Wir bleiben weiter draußen. Wir haben auch gesagt, wir tauchen in diesem Streik nicht ab, sondern werden ihnen jeden Tag auf den Keks gehen. So lange, bis es eine Lösung gibt, so dass wir den TVÖD – auch wenn nicht sofort, aber absehbar sicher haben.

Wie war denn die Stimmung heute bei den Diskussionen in der Streikversammlung?

Heute wollten wir vor allem herausfinden, wie stark sind wir noch. Wir haben festgestellt – wir sind noch so stark wie vor zwei Wochen. Wir haben eine Streikversammlung gemacht, weil alle sollen mitentscheiden können, wie es weiter geht und auch sagen können, wenn sie was stört oder wenn es Probleme gibt.

Wir haben gesagt, – wir von der SVL wollen von Montag bis Sonntag  draußen bleiben. Im Moment arbeiten wir aus dem Bistro an den Wochenenden im Versorgungszentrum, wo wir das Gefühl haben schlecht behandelt zu werden und es gibt eigentlich da auch nichts zu tun, da die Versorgungszentren überbelegt sind am Wochenende.

Meiner Meinung nach gilt das nicht nur für die SVL. Wir sollten insgesamt auf Vollstreik umstellen, von Montag bis Sonntag. Es gibt auch Überlegungen von Wellenstreiks, die machen aber für viele Bereiche keinen Sinn.

Was, wenn es bei den Müttern zu einem Ergebnis kommt und bei den Töchtern nicht?

Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Die einen sagen, es hat auch Vorteile, denn im Moment werden wir nicht so wahr genommen. Wenn einige Stationen und Bereiche sowieso leer gefegt sind, dann haben wir auch nichts mehr zu tun. Dann fällt es nicht mehr so auf, wenn die Steri oder andere streiken, weil es ja gar nicht so viel Arbeit gibt in den Funktionsbereichen durch den Streik der Pflegekräfte. Andererseits ist jeder Tag zusammen gut, weil wir eine gemeinsame und starke Bewegung sind. Die Bewegung ist super, man kennt sein Haus inzwischen fast komplett. Auch unter den Töchtern lernt man sich kennen. Man weiß jetzt, wie es in den Bereichen ist, wie die Bedingungen sind. Aber es ist auch klar, irgendwann wird  einer der erste sein – und wir haben von Anfang an gesagt, die Töchter sind wahrscheinlich nicht die ersten.

Wie sieht es materiell aus? Bei eh schon niedrigen Löhnen bekommen die Streikenden jetzt über Wochen weniger, weil das Streikgeld nicht hundert Prozent ausgleicht. Ist das nicht eine Gefahr?

Ja, das muss jedem klar sein. Es gibt immer noch eine Spendenaktion, da sind schon mehrere zehntausend Euro gesammelt worden, die läuft auch weiter. Es gibt auch einen Antrag auf Aufstockung des Streikgelds, der aber noch auf Bearbeitung wartet. Wir haben immer gesagt, wir brauchen einen Notgroschen, für diejenigen für die es eng wird. Wenn zum Beispiel jemand kein Essen mehr kaufen kann oder die monatliche Miete nicht zahlen kann – natürlich werden diese Kolleg*innen unterstützt.

Man könnte die Solidaritätsarbeit sicher noch ziemlich ausweiten. Die Gewerkschaften könnten da eine zentrale Rolle spielen.

Ja, die Idee, dass die Gewerkschaften das jetzt auch mehr in die anderen Betriebe tragen sollten, finde ich richtig. Wir brauchen die maximale Unterstützung. Die Arbeitgeber versuchen uns klein zu kriegen. Wenn ihnen das gelingt, hat das Auswirkungen auf andere Betriebe. Wenn wir aber erfolgreich sind, dann wird das auch andere ermutigen.

*Funktionsangabe dienst nur zur Kenntlichmachung der Person

Das Gespräch führte Angelika Teweleit, eine der 3 Sprecherinnen der VKG

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