Tarifvertrag für Unikliniken NRW: Reicht bei weitem nicht

Artikel aus der Jungen Welt vom 21. Juli 2022

Das ist ein hart erkämpfter Tarifabschluss, und was er in der Praxis wert ist, muss sich erst noch zeigen. Nach elf Wochen mit 77 Streiktagen haben die Beschäftigten der ­Universitätskliniken in NRW ihren Tarifvertrag Entlastung. Feste Personalschlüssel, bei deren Unterschreitung zusätzliche freie Tage fällig werden, sollen nicht allein auf den Stationen für ­Pflegekräfte gelten, sondern auch für Therapiebereiche, Betriebskitas, Radiologie und Auszubildende. Ausgespart bleiben aber viele andere Beschäftigte etwa in den Servicebereichen Küche und Reinigung, Technik und Ambulanzen. Diese Spaltung der Belegschaften in Begünstigte mit extra freien Tagen und den ­Habenichtsen, deren Abteilungen ­lediglich etwas mehr Personal erhalten sollen, könnte noch ­Zündstoff bergen: Das wird sich erst mit der ­allmählichen Umsetzung des Tarifvertrages im Klinikalltag zeigen.

Allmähliche Umsetzung – das ist ein weiterer Knackpunkt des schwer erstrittenen Abschlusses, musste doch die Verdi-Tarifkommission den Klinikleitungen anderthalb Jahre zugestehen, in denen sie die erforderlichen IT-Systeme für die genaue ­Erfassung der Personalschlüssel und aus deren Unterschreitung fällig werdenden Punkte für die ­zusätzlichen freien Tage aufbauen sollen. Bis dahin gibt es lediglich pauschal fünf freie Tage im Jahr extra. In Berlin war insbesondere die Charité erheblich schneller bei der Umsetzung eines vergleichbaren Tarifvertrages, und auch beim landeseigenen Klinikkonzern Vivantes geht dieser Tage das im vergangenen Jahr vereinbarte ­Belastungsausgleichssystem an den Start.

Es ist völlig unstrittig, dass die Beschäftigten an bundesdeutschen Krankenhäusern dringendst ­Entlastung brauchen – an allen Kliniken und in allen Bereichen. Da sich zusätzliches Personal nicht von heute auf morgen ­beschaffen lässt, sind Entlastungstarifverträge erst einmal eine gute Sache. Aber sie reichen bei ­weitem nicht. Eine Ausbildungsoffensive und ­wirklich gute Arbeitsbedingungen, die auch eine bessere Entlohnung ­umfassen, sind nötig. Um all das auf den Weg zu bringen, muss endlich die Krankenhausfinanzierung grundlegend geändert werden: Es reicht nicht, die ­Bezahlung der Pflegekräfte aus den Fallpauschalen herauszunehmen. Vielmehr müssen endlich die Fallpauschalen selbst abgeschafft werden. Ein »marktwirtschaftliches« Finanzierungssystem, das teuer ist und nur zu Fehlanreizen – etwa überflüssigen Operationen – führt, gehört auf den Müllhaufen. Denn mit Krankheiten und ihrer Behandlung sollte niemand länger Profite machen. Würden Krankenhäuser als Bestandteile der öffentlichen Daseinsvorsorge zurückgeführt in öffentliche Trägerschaft und die Finanzierung aller nötigen Aufgaben garantiert, gäbe es bald auch keine Personalnot mehr!

Ein ausführliches Dossier zum Tarifabschluss gibt es im LabourNet Germany

https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/gesund/gesund-allgemein/tarifbewegung-fuer-entlastung-an-den-unikliniken-in-nrw-notruf-gebraucht-beklatscht-aber-bestimmt-nicht-weiter-so/

Homepage von verdi zu der Tarifbewegung:

https://notruf-entlastungnrw.de/

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